Das im November veröffentlichte interne Papier des Ministeriums des Innern und für Heimat (BMI) wurde auf Netzpolitik.org, einer Nachrichten-Webseite zu digitalen Freiheitsrechten und anderen netzpolitischen Themen, veröffentlicht und analysiert. Die Autoren des Artikels verweisen auf die inhaltliche Problematik. Dazu heißt es:
"Laut dem Positionspapier will das Innenministerium am umstrittenen 'Client-Side-Scanning' festhalten. Der Einsatz dieser Technologie würde dazu führen, dass E-Mails, Messenger-Dienste und weitere Kommunikationsplattformen anlasslos und massenhaft überwacht werden. Beim Client-Side-Scanning werden Inhalte auf den Geräten der Nutzer und Nutzerinnen vor dem Versand von Nachrichten durchsucht und somit eine spätere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unterlaufen."
Demnach würde das BMI die "durchgängige und sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung" zwar weiterhin zusichern, dieser Vorgang sei jedoch laut "weltweit führender Verschlüsselungsforscher technisch unmöglich, wenn Client-Side-Scanning implementiert", also in ein bestehendes Computersystem eingebaut und eingesetzt wird. Im gültigen Koalitionsvertrag wurde ursprünglich zwischen den Ampel-Parteien festgelegt:
"Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab."
Innenministerin Faeser stellt sich mit ihrer Anordnung zum Positionspapier somit unbeeindruckt gegen die Koalitionspartner und auch parteiinterne Kritiker des Vorhabens. Dazu heißt es in dem Netzpolitik.org-Artikel:
"Das Justizministerium und das Digitalministerium, beide von der FDP geführt, haben sich deutlich gegen die Chatkontrolle positioniert und dem Innenministerium ihre 'Roten Linien' übersandt, die netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht hat."
In dem Schreiben der beiden FDP-Ministerien heißt es, dass "Messenger, Cloud-Speicher und Audiokommunikation im Gesetz ausgenommen werden sollen und Client-Side-Scanning explizit ausgeschlossen werden muss." Auch der generelle Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) sollte in diesem Zusammenhang unterbleiben. Zudem soll nach Ansicht der FDP-Verantwortlichen "eine Identifizierung von Nutzern und Nutzerinnen mittels Personalausweis ausgeschlossen" werden.
Die beabsichtigte Strategie des BMI visiert laut Netzpolitik.org hingegen Folgendes an:
"Keiner dieser Punkte ist im Positionspapier des BMI genannt. Stattdessen ist dort 15 Mal von einer 'Konkretisierung' die Rede, also der Korrektur von Details statt einer grundlegenden Infragestellung des Vorhabens."
Es folgen aktuelle, wie auch zurückliegende Kommentierungen und Einschätzungen von Kritikern zu den Plänen von Ministerin Faeser:
- FDP-Digitalpolitiker Maximilian Funke-Kaiser: Wir haben im Koalitionsvertrag aus gutem Grund das Recht auf Verschlüsselung verankert und das gilt. Die Freien Demokraten haben und werden sich gegen jede Form einer Chatkontrolle stellen.
- SPD-Digitalpolitikerin Anna Kassautzki: Dieser Vorschlag der Kommission geht mit unverhältnismäßigen und inakzeptablen Grundrechtseinschränkungen einher, ist mit dem Koalitionsvertrag der amtierenden Regierungskoalition nicht vereinbar, ist meines Erachtens weder grundgesetzkonform noch mit EU-Recht vereinbar.
- Erik Tuchtfeld, vom digitalpolitischen Verein D64: Wenn die Bundesregierung den eigenen Koalitionsvertrag ernst nimmt, muss sie sich auf EU-Ebene entschieden gegen die Chatkontrolle stellen.
- Digitalpolitiker Tobias B. Bacherle (Grüne): Die Chatkontrollen schießen weit über das Ziel hinaus.
Laut den Darlegungen des Artikels gelte das Positionspapier zunächst "nur als ein Entwurf des Innenministeriums". Die Koalitionspartner müssten nun über die endgültige Position der Bundesregierung erneut verhandeln. "Die Positionen könnten gegensätzlicher nicht sein: Faeser will die Chatkontrolle, Koalitionspartner und Teile der eigenen Fraktion sind dagegen", so die Zusammenfassung von Netzpolitik.org.
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