Deutscher Bundestag erkennt Holodomor als Völkermord an

Der Bundestag hat die Hungersnot in den Jahren 1932 und 1933 in der Sowjetunion offiziell als Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung anerkannt. Unter Historikern ist die Einordnung des "Holodomor" als Völkermord umstritten.

Der Bundestag hat die Hungersnot in der Sowjetunion in den Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts offiziell als Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung anerkannt. Die Abgeordneten billigten am Mittwochabend mehrheitlich einen gemeinsamen Antrag der Ampel-Koalition und der Unionsfraktion, in dem von einem "menschenverachtenden Verbrechen" die Rede ist.

In den Jahren 1932 und 1933 kamen in der UdSSR, insbesondere in der Ukraine, aber auch in Teilen Russlands und Kasachstans, Millionen von Menschen durch den sogenannten "Holodomor"(Mord durch Hunger) ums Leben. Unter Historikern gilt die Frage, ob es sich bei den damaligen Vorgängen in der Sowjetunion tatsächlich um einen Völkermord handelt und die Hungersnot gezielt ausgelöst wurde, als umstritten.

In der Drucksache des Bundestages heißt es, "dass im Falle des politischen Verbrechens des Holodomors das Streben der sowjetischen Führung nach Kontrolle und Unterdrückung der Bäuerinnen und Bauern, der Peripherien des sowjetischen Herrschaftsprojektes sowie der ukrainischen Lebensweise, Sprache und Kultur verschmolzen".

"Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe. Der Deutsche Bundestag teilt eine solche Einordnung."

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), erinnerte an die deutsche Rolle im Zweiten Weltkrieg:

"Gerade wir Deutschen stehen hier in einer besonderen historischen Schuld und Verantwortung gegenüber der Ukraine."

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij schrieb nach der Entscheidung auf Twitter: "Ich danke den Mitglieder*innen des Bundestages für die historische Entscheidung. Die Wahrheit gewinnt immer." In der Bundestagsdebatte verurteilten alle Fraktionen den Holodomor, die Linke und die AfD enthielten sich jedoch bei der Abstimmung über den Antrag. Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen sprach von einer "Instrumentalisierung der Geschichte" und wandte sich gegen eine "historische Gleichsetzung" mit dem heutigen Ukraine-Krieg. Gregor Gysi von der Linken warnte zudem vor einer indirekten Gleichsetzung von Adolf Hitler und Josef Stalin: "Stalin war schlimm, sehr schlimm, aber kein Hitler".

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