Der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger sprach sich dafür aus, Deutschland militärisch aufzurüsten: Im Interview mit dem Springer-Blatt Bild forderte er am Montag eine "Kriegswirtschaft" für die Bundesrepublik. Der Bedarf an Gerät und Munition für die Bundeswehr und für die Ukraine sei "dringlich und riesengroß", daher müsse man "entsprechende Prioritäten setzen". Ischinger monierte, dass vom versprochenen Sondervermögen für die Bundeswehr bisher so gut wie keine Mittel abgeflossen sind:
"Seit der historischen Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Scholz am 27. Februar 2022, mit der Ankündigung eines Sondervermögens für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, sind bisher so gut wie keine Mittel aus den 100 Milliarden abgeflossen."
Dies liege an "Haushaltsquerelen, der vorläufigen Haushaltsführung, am bürokratischen Vergaberecht und auch an Angst vor Kritik des Rechnungshofs", so der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Rüstungsindustrie sei jedoch in der Lage, die Bundeswehr schnell mit Militärgerät auszustatten:
"Die wehrtechnische Industrie könnte vieles von der Stange liefern, wenn das Verteidigungsministerium jetzt nach marktverfügbaren Produkten ruft."
Wegen "bürokratischer Hemmnisse" werde bisher aber kaum etwas abgerufen. Dies werde sich nur ändern, wenn entsprechende Entscheidungen "auf höchster politischer Ebene", also im Kabinett, getroffen werden. Ischinger sieht auch einen politischen Grund, den Begriff "Kriegswirtschaft" zu verwenden:
"Offenbar haben allzu viele noch nicht begriffen, dass wir erst am Anfang der Zeitenwende stehen, und dass es tatsächlich richtigen Krieg mitten in Europa gibt, dessen Ende leider nicht absehbar ist."
Wenn man die Ukraine nicht "militärisch, finanziell und humanitär" unterstütze, werde "Europa auf lange Zeit in eine Periode schwerster sicherheitspolitischer Unsicherheiten absinken, mit kaum abschätzbaren Folgen", so Ischinger.
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