Mit dem Argument der Inflationsbekämpfung hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erneut erhöht. Er steigt um 75 Basispunkte auf 2,0 Prozent.
Sie folgt damit den Vorgaben aus den USA. Die US-amerikanische Zentralbank Federal Reserve (FED) hatte den Leitzins bereits im September um ebenfalls 75 Basispunkte angehoben.
Experten warnen vor einer Spirale der Leitzinserhöhung, die einen weltweiten Konjunktureinbruch verursachen könnte. Ob das Mittel der Zinserhöhung in der aktuellen Situation geeignet ist, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ist unter Experten umstritten. Die Inflation hat ihre Ursache in der sanktionsbedingten Angebotsverknappung von Energie. Der Leitzins hat darauf keinen Einfluss, argumentieren Ökonomen.
Weltbank-Chef David Malpass warnt in diesem Zusammenhang vor einer weltweiten Stagflation. Die Weltwirtschaft sei "gefährlich nah" an einer Rezession.
Auch der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck, ehemaliger Staatssekretär für Finanzen und Chefökonom bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf, warnt auf seinem Blog vor der Wiederholung alter Denkfehler. Die aktuelle Inflation sei mit den Mitteln der Leitzinserhöhung nicht zu bekämpfen.
Die EZB hat in diesem Jahr die Zinswende vollzogen. Zum ersten Mal seit 2011 erhöhte die Zentralbank den Leitzins im Juli. Gleichzeitig ließ sie ihr Kaufprogramm für Staatsanleihen im Juni auslaufen. Mit ihrer Nullzinspolitik versuchte die EZB, das Investitionsklima nach der Finanzkrise zu beeinflussen, die Konjunktur anzukurbeln und die Inflation auf einen Wert von knapp unter zwei Prozent zu erhöhen. Bei diesem Wert geht die EZB von Preisstabilität aus. Das gelang über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht.
Sanktionsbedingt ist die Inflation inzwischen angesprungen. Durch steigende Energiepreise steigen auch die Erzeugerpreise, die an die Endverbraucher weitergegeben werden. Auch in diesem Fall ist das Mittel der Leitzinserhöhung nicht geeignet, um die Inflation zu steuern. Die Senkung der Inflation über den Leitzins funktioniert nur im Rahmen von voller Kapazitätsauslastung in Verbindung mit deutlich steigenden Löhnen. Beides ist aktuell nicht gegeben.
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