Am 17. Oktober fand eine öffentliche Anhörung der Nachrichtendienste durch das parlamentarische Kontrollgremium statt. Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann fragte (ab Minute 52) den Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang, mit welchen Methoden Russland in Deutschland die Demokratie zersetze. Bei der Vorrede zu seiner Frage merkte Hoffmann an, Russland versuche im herrschenden Kampf zwischen Autokratie und Demokratie, "einer Demokratie an mancher Stelle die Basis zu entziehen". Deshalb wolle er wissen:
"Wo sind die innenpolitischen thematischen Ansatzpunkte für die Autokratie um Putin herum, bei uns zu destabilisieren?"
Als Beispiele dafür nannte der Abgeordnete die russischen "Desinformationskampagnen" rund um Corona und rund um diesen Krieg. Des Weiteren wollte er vom Verfassungsschutz wissen, worauf sich der deutsche Bürger einstellen müsse, wo die russischen "Endems" – gemeint sind wohl ungewollte Eindringlinge – zunehmend konspirativ agierten.
In seiner Antwort bestätigte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang die Annahme Hoffmanns über den Wettstreit "Autokratie gegen Demokratie". Was Russland in Deutschland tue, habe "demokratiezersetzende" Relevanz. Diesbezüglich nutze Russland alle Themen, die geeignet seien, um prorussischen Narrative zu verbreiten. Dazu gehöre, "dass Russland die Verantwortung für diesen Krieg bei anderen Staaten sieht, nur nicht bei Russland". Nach Haldenwangs Auffassung ist Russland insgesamt verantwortlich für die Spaltung der deutschen Gesellschaft. Denn von Russland werde
"jedes Thema für Propaganda genutzt, dass geeignet ist, die Gesellschaft zu spalten".
Insbesondere würden für diese Strategie Themen verwendet, die ohnehin schon kritisch in der Gesellschaft diskutiert würden. In der Vergangenheit habe Russland die Deutschen über die Corona-Frage gespalten. In der aktuellen Situation werde von Russland mit den Themen Energiemarkt, steigende Preise, Inflation, wirtschaftliche Auswirkungen dieses Krieges bis hin zur Frage, ob wir in diesem Winter noch heizen können, gesellschaftliche Spaltung betrieben.
Als Einflussinstrumente verbreite Russland gezielt Falschmeldungen und nutze dafür das Internet, soziale Medien und Influencer, die von Russland bezahlt würden:
"Influencer, die aber sicherlich auf der Payroll von Moskau irgendwo auch stehen", mutmaßte Haldenwang.
Es sei deshalb für die Bundesregierung wichtig, darauf zu reagieren, so der Verfassungsschützer. Im Bundesinnenministerium habe man dafür aus verschiedenen Ressorts eine Gruppe zusammengezogen, die Desinformation und Propaganda frühzeitig erkennen könnte. Die Gruppe bestimme jeweils einen Verantwortlichen, der dann zeitnah "eine Gegengeschichte dazu erzählt". Bisher sei das auch stets gelungen. Von Russlands konspirativen Einsätzen bekomme der Bürger nicht viel mit. Diesbezüglich werde der Verfassungsschutz aktiv:
"Es ist unser Job zu analysieren, wo sind jetzt mehr Agenten auf der Straße, wo werden Anbahnungsversuche unternommen, wo findet klassische Spionage statt."
Am Ende seiner Antwort "auf den Kampf zwischen Demokratie und Autokratie" wies Haldenwang ungefragt und unvermittelt auf die Gefahr hin, die mit der Beobachtung Oppositioneller einhergehe. Dabei blieb nebulös, welche Oppositionellenbeobachtung er meint und für welchen Fall er Methoden bis hin zur Tötung Oppositioneller unterstellte:
"Eine Gefahr besteht auch, dass die Oppositionellenbeobachtung sehr viel stärker stattfinden wird und das möglicherweise auch energisches Vorgehen gegen Oppositionelle bis hin zur Tötung vorstellbar erscheint."
Hier liegt die Interpretation nahe, dass Verfassungsschutzpräsident Haldenwang sich vorstellen kann, Russland töte seine Oppositionellen. Und diese Vorstellung verbreitet er in einer öffentlichen Anhörung.
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