Boris Palmer ist als Oberbürgermeister von Tübingen erneut wiedergewählt worden. Er setzte sich mit einer absoluten Mehrheit von 52,4 Prozent der Stimmen gegen seine Konkurrenten durch, so das Ergebnis nach Auszählung aller Wahllokale. Der für saloppe Sprüche und knallharte Formulierungen gefürchtete Palmer sah sich kurz vor den Wahlkampfnominierungen noch mit einem Parteiausschluss Verfahren konfrontiert. Er ist seit 25 Jahren grünes Parteimitglied.
Palmer entschied sich im Januar dazu, nach seiner Zustimmung zu einem Landesschiedsgerichtsangebot, die Grünen-Mitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen zu lassen, nicht der von seinem Stadtverband initiierten Urwahl zu stellen und damit als unabhängiger Kandidat anzutreten. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,6 Prozent. Am Wahlabend dankte der frisch gekürte Oberbürgermeister seinen Unterstützern mit den Worten:
"Es ist eine ungewöhnliche Situation, ohne Partei im Rücken in einen solchen Wahlkampf zu gehen."
Palmers unmittelbare grüne Konkurrentin Ulrike Baumgärtner kam lediglich auf 22 Prozent der Stimmen, Sofie Geisel (SPD, von der FDP unterstützt) auf 21,4 Prozent der Stimmen. Alle anderen der insgesamt sechs Kandidaten lagen unter drei Prozent der Stimmen. Palmer bestätigte seinen Ruf der "spitzen Zunge" noch abends in der Wahlkampfberichterstattung. Auf die Frage eines Fernsehmoderators, ob Palmer seinen oft kritisierten "(Polit)-Stil, in der neuen Amtsperiode ändern würde", antwortete der zugeschaltete Bürgermeister kurz und knapp:
"Warum sollte ein Oberbürgermeister, der zum dritten Male mit absoluter Mehrheit gewählt wird, seinen Stil ändern? Vielleicht sollten sie den Stil ihrer Fragen ändern."
Im Mai 2021 hatte der grüne Landesparteitag mit eindeutiger Mehrheit ein Ausschlussverfahren gegen Palmer eingeleitet. Im Ausschlussantrag hieß es, Palmer verursache "schweren Schaden für die Partei". Dabei ging es um "24 umstrittene Äußerungen, mit denen Palmer aus Sicht der Parteispitze vor allem gegen Flüchtlinge provozierte und sich abfällig über Ausländer ausließ". Im November des Vorjahres provozierte Palmer mit seiner Aussage und Aufforderung, dass Ungeimpfte sich "bei einer Coronainfektion nicht mehr auf der Intensivstation behandeln" lassen sollten. Nach seinen Vorstellungen sollten Betroffene eine dementsprechende Patientenverfügung unterschreiben. Im Dezember 2021 folgte die Forderung:
"Ich bin ausdrücklich dafür, die Kassenbeiträge anzuheben, wenn jemand, der sich impfen lassen könnte, die Injektion bewusst verweigert."
Auch solche Wahrnehmungen und Äußerungen hielten die Tübinger Bürger schlussendlich nicht davon ab, Boris Palmer mit einer dritten Amtszeit zu belohnen.
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