Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke wurde in den letzten Monaten immer wieder diskutiert, scheiterte bisher aber vor allem an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Bisher ist lediglich der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 als "Einsatzreserve" bis zum 15. April 2023 vorgesehen. Diese Haltung der Grünen erfolgt aber angeblich nicht nur aus Ideologie: Laut Habeck werde ein Weiterbetrieb die Energiekrise nicht wirklich lindern.
Doch nun widersprechen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse Habeck deutlich: Ein Gutachten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg kommt nun zu dem Ergebnis, dass längere Laufzeiten der drei verbleibenden deutschen Atomkraftwerke eine Schlüsselrolle spielen und die Situation entspannen könnten. Die Studie entstand unter Leitung von Veronica Grimm, eine der fünf Wirtschaftsweisen.
Grimm zufolge haben längere Laufzeiten "signifikante Auswirkungen auf die Preisentwicklung in Deutschland und den Nachbarländern", zudem gebe es auch positive Auswirkungen auf die CO₂-Bilanz.
"Ich empfehle, in dieser schwierigen Situation keine Möglichkeit ungenutzt zu lassen."
Der Studie zufolge könnte die Stromnachfrage zu einem wesentlich größeren Anteil ohne fossile Energieträger gedeckt werden, wenn der Ausstieg aus der Kernkraft verschoben wird. "Sehr niedrige Preise" wären die Folge. In der Studie betrachten die Ökonomen verschiedene Szenarien je nach Bedingungen zum internationalen Angebot, Preisen, Nachfragen und Wetterlage. Die Auswirkungen wurden dabei kurzfristig bis 2024 und mittelfristig bis 2027 analysiert. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass die Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt weiterlaufen. Außerdem wird angenommen, dass die drei verbliebenen Atomreaktoren zusammen 4,1 GW leisten und weiterlaufen.
Selbst wenn AKWs nur einen überschaubaren Anteil an der Stromerzeugung leisten, sind die Effekte hoch: Im schlechtesten Szenario sinkt der Strompreis 2024 gegenüber dem sonst zu erwartenden Niveau um 8,5 Prozent. Im besten Fall sinkt der Preis um 12,1 Prozent. Der Effekt der weiterlaufenden Kohlekraftwerke und ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien fallen mit maximal fünf Prozent deutlich geringer aus.
Die preissenkenden Effekte der Erneuerbaren sind den Ökonomen zufolge bis 2024 noch recht überschaubar. Bis 2024 sei es nicht möglich, mehr als 55 bis 60 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren zu decken. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 lag der Brutto-Anteil der erneuerbaren Energieträger bei 49 Prozent. Alle Maßnahmen führen in Kombination im besten Fall zu einem Strompreis im Jahr 2024 von 102 Euro. Im schlechtesten Fall beträgt der Preis 208 Euro. Ohne Maßnahmen betrüge der Preis 120 beziehungsweise 244 Euro.
Für 2027 rechnen die Ökonomen mit Strompreisen zwischen 87 und 103 Euro. Am stärksten ließen sich die Preise in diesem Szenario mit Erneuerbaren drücken: im besten Fall um 13 Prozent und im pessimistischen Szenario um vier Prozent. Doch auch in diesem Szenario könnte Atomkraft die Preise immer noch um zwei bis zehn Prozent senken.
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