Mit einem Brandbrief wandte sich der Handelsverband Deutschland (HDE) an Wirtschaftsminister Habeck. Der Handelsverband mahnt rasche Hilfe an. Der Einzelhandel stünde an seiner Belastungsgrenze. Die hohen Energiepreise würden die Einzelhändler des Landes unter enormen Druck setzen.
Schon ohne die neuen Belastungen seien die Gewinnmargen im deutschen Einzelhandel sehr niedrig. Sie liegen laut HDE-Präsident Josef Sanktjohanser im unteren einstelligen Prozentbereich. Im Schuheinzelhandel sei die Gewinnmarge aktuell sogar negativ. Man arbeite mit Verlust, das ließe sich nicht durchhalten. Sollten die Energiepreise weiter steigen und die Bundesregierung nicht schnell finanzielle Unterstützung bereitstellen, drohe eine Pleitewelle enormen Ausmaßes. Der HDE fordert daher die Abdämpfung der Energiekosten für alle Betriebe. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth erklärte:
"Händlerinnen und Händler sehen sich schon heute in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Sie leiden unter dem Kostenschock durch die Energiekrise."
Der HDE verweist zudem darauf, dass die Weitergabe der steigenden Kosten über die Erhöhung der Preise kaum möglich sei. Angesichts der Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation halten sich die Konsumenten mit ihren Ausgaben zurück. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung würden in keiner Weise ausreichen, so Genth. Aktuell stünden 16.000 Geschäfte vor dem Aus. Diese Entwicklung dürfte sich verstetigen, sollte substanzielle Hilfe ausbleiben.
Der deutsche Einzelhandel wurde bereits durch die politischen Maßnahmen während der Coronakrise schwer getroffen. Die Lockdown-Politik ließ die Branche massiv einbrechen. Davon hat sie sich kaum erholt. Profitieren konnte von der Regierungspolitik lediglich der Online-Handel.
Mit seinem Hilferuf ist der Handelsverband nicht allein. Auch das produzierende Gewerbe und die Industrie geraten durch die hohen Energiekosten in Schieflage. Deutschland drohe die Deindustrialisierung, warnte kürzlich die Industrie- und Handelskammer Schwaben. Betriebe würden schließen oder ins Ausland abwandern, wo der Kostendruck niedriger sei.
Das Thema Deindustrialisierung ist in der Politik angekommen. So warnte kürzlich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einem Interview mit der Wirtschaftswoche vor nachhaltigen und dauerhaften Schäden für den Standort Deutschland. Weil wörtlich:
"Wir müssen in der Tat sehr aufpassen, dass uns nicht wirtschaftliche Substanz verloren geht – und zwar auf Dauer, insbesondere in der Chemie und der Grundstoffindustrie. Dass gerade viel Energie gespart wird in den Unternehmen, muss beileibe nicht nur ein gutes Zeichen sein."
Sein Vorschlag: Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Das klingt aus dem Munde eines SPD-Mannes allerdings wie eine Drohung. Die SPD-Regierung unter Gerhard Schröder steigerte die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der Arbeitnehmer durch breite Lohnsenkungen im Rahmen der Agenda 2010.
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