Wahlbeobachtung bei Russen: Von deutscher Seite nicht erwünscht

Es gibt deutsche Wahlbeobachter bei den Referenden in Donezk, Lugansk, Saporoschje und Cherson. Von deutscher Seite sind sie allerdings nicht erwünscht, auch wenn sie die Tätigkeit regelgerecht erfüllen. Einer von ihnen wurde jetzt als Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens "freigestellt".

Der kreiseigene Versorger Energie Waldeck-Frankenberg hat seinen Geschäftsführer Stefan Schaller heute in einer Sitzung von Aufsichtsrat und Vorstand freigestellt, heißt es in seiner Pressemitteilung. Vorausgegangen waren Pressemeldungen über seine Anwesenheit als Wahlbeobachter beim Referendum im Gebiet Saporoschje.

Skandalisiert wurde Schallers Reise zuerst von Lars Wienand auf t-online; einem Autor, der öfter Informationen veröffentlicht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Nachrichtendiensten stammen. Er hat, so schreibt er selbst in seinem Artikel, den Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg kontaktiert und dadurch dafür gesorgt, dass noch am Samstag der Ältestenrat und der Kreisausschuss in einer Sondersitzung beschlossen, Schallers Freistellung von seiner Tätigkeit zu veranlassen. Die einzigen Gegenstimmen kamen von der AfD; zuvor hatten allerdings AfD-Politiker geplante Reisen zum selben Zweck auf Druck hin abgesagt.

Bereits bei den ersten Referenden im Donbass im Jahr 2014 war in deutschen Medien zum einen der Vorwurf erhoben worden, es habe dabei keine internationalen Beobachter gegeben, und zum anderen war all jenen, die den Vorgang dennoch beobachtet hatten, jegliche Unabhängigkeit abgesprochen worden.

Der Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg, Jürgen van der Horst, erklärte am Freitag: "Allein der Besuch in der Region sowie die Tätigkeit, das Schein-Referendum als Wahlbeobachter zu begleiten, können als Legitimierung des völkerrechtswidrigen Vorgangs gedeutet werden." Die Berichterstattung der russischen Nachrichtenagentur TASS über die Beobachter interpretierte er so, dass diese "den Aufenthalt für propagandistische Zwecke" nutze.

Wienand warf Schaller auf t-online noch einen anderen Aufenthalt in Russland vor. In dessen Rahmen habe er an einer Konferenz zum Thema "Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Sicherung demokratischer Standards bei der Organisation und Durchführung von Wahlen" teilgenommen und danach die Wahlen zur Duma im russischen Gebiet Komi beobachtet. Wienand zieht daraus die Schlussfolgerung: "Er war schon mal in russischen Diensten bei einer Duma-Wahl." Warum? Er "äußerte sich positiv über die Organisation".

Es ist international üblich, dass Wahlbeobachter auf Einladung unterschiedlichster Organisationen tätig sind, und es ist ebenso üblich, dass sie vor ihrem Einsatz entsprechend geschult werden. Auch wenn das Auswärtige Amt deutsche Wahlbeobachter entsendet, heißt das rechtlich nicht, dass deutsche Wahlbeobachter, die beispielsweise von einer russischen Organisation eingeladen werden, nicht die Kriterien für eine ordnungsgemäße Beobachtung erfüllen.

Nach Angaben der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) erfolgte Schallers Einladung durch die russische Zivilkammer, auf Vorschlag der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation. In der Zivilkammer sind die unterschiedlichsten Vereinigungen vertreten, die in Deutschland als Nichtregierungsorganisationen klassifiziert würden. Die ursprüngliche Vorstellung der Rundfunkräte in Deutschland entsprang einem ähnlichen Konzept. Die Einladung von Wahlbeobachtern durch diese Struktur entspricht also den international üblichen Regeln.

Schaller selbst erklärte, er habe für diese Beobachtungsmission Urlaub genommen. "Ich stelle fest, was ich sehe, wohl wissend, dass ich nur das zu sehen bekomme, was ich sehen soll." Er habe aber die Möglichkeit, mit den Menschen auf der Straße zu sprechen. "Und es ist nicht so, dass die Menschen mit Waffengewalt gezwungen werden, zur Abstimmung zu gehen."

Schaller hat nach Angaben dieses Berichts seine Beobachtungsmission mittlerweile abgebrochen und will sich auf den Rückweg nach Deutschland machen. Nachdem aber entlang der gesamten Kontaktlinie der ukrainische Beschuss in den letzten Tagen massiv zugenommen hat, ist nicht absehbar, wann und wie schnell eine sichere Rückkehr möglich ist. "Ich versuche jetzt aber, so schnell wie möglich nach Deutschland zurückzukommen. Es gibt einiges klarzustellen."

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