Mit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar ist auch die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr gestiegen. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf einen Sprecher des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben berichtet, gingen im Bundesamt im laufenden Jahr bisher 657 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung ein. Im Vorjahr hätten der Behörde hingegen lediglich 209 Anträge vorgelegen. Bis August hat sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerer somit mehr als verdreifacht.
Die Verweigernden begründeten ihre Anträge den Angaben zufolge häufig mit dem Krieg in der Ukraine. Es herrsche Sorge vor einer möglichen Eskalation des Konflikts. Mit einer kriegerischen Auseinandersetzung hätten sie demnach nicht gerechnet, schreibt das RND. Gestellt werden müssen die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung beim dafür zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr, das sie dann an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben weiterleitet. Alle anerkannten Kriegsdienstverweigerer könnten sich sowohl bei einer Wiedereinführung der Wehrpflicht als auch im Spannungs- und Verteidigungsfall auf ihren Status als Verweigerer berufen.
Allerdings sind Anträge auf Kriegsdienstverweigerung keineswegs immer erfolgreich, wie ein aktueller Fall aus Bayern zeigt. Den Antrag einer 26-jährigen Bundeswehrsoldatin hatte das Regensburger Verwaltungsgericht im April mit der Begründung abgewiesen, dass die Frau aufgrund einer Depression ohnehin seit Mitte 2020 als dienstuntauglich eingestuft sei. Ihre Diensttauglichkeit kann so später noch einmal überprüft und sie doch wieder eingezogen werden. Der Frau waren laut eines Berichts des BR zuvor moralische Zweifel am System Bundeswehr aufgekommen.
Lambrecht lehnt Wehrpflicht weiterhin ab
Während die Zahl der Kriegsdienstverweigerer steigt, nimmt die Zahl der Bewerber für die Streitkräfte dem RND-Bericht zufolge weiter ab. Die Bewerberzahlen für den militärischen Dienst in der Bundeswehr seien seit Anfang 2022 rückläufig, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln. Rund 183.000 Soldaten leisten derzeit Dienst bei der Bundeswehr. Doch auch hier macht sich der Arbeitskräftemangel bemerkbar.
Ziel des Heeres müsse es laut Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) demnach sein, "mehr qualifiziertes" Personal zu gewinnen und auch zu halten. Zugleich müssten die "Abbrecherquoten" weiter reduziert werden. "Ein Blick auf die Demografie zeigt, dass wir hier besser werden müssen", erklärte die SPD-Politikerin bei der jüngsten Bundeswehr-Tagung. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht lehnt Lambrecht trotz der durch den Ukraine-Krieg veränderten Bedrohungslage allerdings weiterhin ab. "Eine Wehrpflicht-Debatte hilft uns wenig in der aktuellen Situation", gestand die Ministerin gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe ein. Die Ausbildung von Soldaten brauche Zeit, unter einem Jahr mache das wenig Sinn, sagte sie weiter und fügte hinzu:
"Wir haben weder genügend Kasernen, Ausbilder noch das Gerät für Zehntausende Wehrpflichtige."
Die Wehrpflicht müsste auch Frauen umfassen und dürfte am Ende nicht nur jeden Vierten in einem Jahrgang betreffen. Die Wehrpflicht war in Deutschland im Jahr 2011 ausgesetzt worden.
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