Sanktionen gegen "unkooperative Hartz-IV-Beziehende" verfehlen nach Einschätzung des Vereins "Sanktionsfrei" ihre Wirkung. Anstatt Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen, hätten Kürzungen der Grundsicherung bei Verstößen gegen Auflagen der Jobcenter einen einschüchternden Effekt, so die Initiative Sanktionsfrei am Montag in Berlin, unter Berufung auf eine von der Organisation in Auftrag gegebene Studie.
Das Forschungsinstitut INES hatte im Auftrag der 2015 gegründeten Initiative Sanktionsfrei e. V. in einem Zeitraum von drei Jahren 585 zufällig ausgewählte Personen befragt, die in dieser Zeit durchgängig oder mit Unterbrechungen Grundsicherung bezogen haben. Bei einer Teilgruppe wurden Sanktionen finanziell ausgeglichen. Herausgekommen sei, dass finanzielle Kürzungen keinen besonderen Effekt auf die Motivation der Betroffenen hätten, teilte Sanktionsfrei e.V. mit.
"Sanktionen verfehlen ihre behauptete Wirkung. Sie verursachen fast immer eine Kultur des Misstrauens", sagte die Gründerin des Vereins Sanktionsfrei, Helena Steinhaus, anlässlich der Vorstellung der Studie. Sanktionen wirkten demotivierend und verschlechterten in vielen Fällen die gesundheitliche Situation, erklärte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er kritisierte zudem, dass die regulären Grundsicherungssätze zu gering seien. Und:
"Durch Sanktionen sind diese Leistungen für viele Menschen auch nicht verlässlich."
Nach den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen beim Bürgergeld, das zum 1. Januar das bisherige Hartz-IV-System ablösen wird, weniger strenge Auflagen gelten. Menschen, die Bürgergeld beziehen, sollen demnach für ein halbes Jahr keine Leistungskürzungen befürchten müssen, auch wenn sie beispielsweise Termine im Jobcenter verstreichen lassen.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, vertritt sogar die Ansicht:
"Sanktionen gehören restlos abgeschafft."
Denn nur so könne Hartz IV überwunden werden. Der Handwerksverband sieht im Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung hingegen "falsche Anreize" für Geringverdiener. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, sagte der Rheinischen Post am Montag:
"Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld."
Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), nannte diese Äußerung wiederum "zynisch". Es sei geschmacklos, Geringverdiendende und Hartz-IV-Empfänger gegeneinander auszuspielen:
"Kein einziger Beschäftigter hat auch nur einen Cent mehr im Geldbeutel, weil mit der beabsichtigten Einführung des Bürgergeldes die Regelsätze gering ansteigen sollen."
Der Regelsatz für das neue Bürgergeld soll nach Plänen des Bundessozialministeriums für alleinstehende Erwachsene 502 Euro im Monat betragen. Derzeit läuft eine Ressortabstimmung, am Mittwoch soll das Bundeskabinett über den Entwurf beraten.
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(rt de/dpa)