Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) will zwei der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke Ende dieses Jahres vom Netz nehmen und bis April 2023 im Reservemodus weiterlaufen lassen. Ursprünglich hätten alle drei AKWs ihren Regelbetrieb, wie im Atomausstiegsgesetz vereinbart, zum Ende des Jahres komplett einstellen sollen.
Das Ziel sei laut Habeck jedoch, die Kraftwerke "zur Absicherung im Notfall" bereitzuhalten, um "krisenhafte Situationen" auf dem Strommarkt abzufedern. Ein kürzlich durchgeführter Stresstest hatte ergeben, dass solche Situationen "nicht vollständig ausgeschlossen werden" könnten.
Preussen Elektra, der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2 – einer der beiden in Rede stehenden Meiler – warnt das Bundeswirtschaftsministerium nun vor diesem Schritt. Nach Auffassung von Firmenchef Guido Knott ist der Vorschlag,
"zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, (...) technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern."
Dies geht aus einem entsprechenden Schreiben hervor, das bereits gestern an den Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, gerichtet worden war, wie unter anderem der Spiegel berichtete. Der Unternehmenschef verweist darin explizit auf die Risiken eines solchen Plans. So sei im beabsichtigten Reservebetrieb "ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich." Dies gelte insbesondere dann, wenn das Kraftwerk bereits komplett heruntergefahren wurde, wie es Habeck beabsichtigt. In dem Schreiben heiße es dazu weiter:
"Dann nämlich ist mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines solchen Reaktorkerns ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar."
Bereits am 25. August habe man das Ministerium darüber unterrichtet. Jetzt erteilte der Strom-Manager den Plänen, die Habeck noch am Montag vorgestellt hatte, eine klare Absage. Der Wirtschaftsminister hatte seine Idee offenbar nicht mit den Betreibern abgestimmt, wie die Berliner Zeitung noch tags zuvor vermeldete. Ein solches Prozedere werde jedenfalls "nicht praktiziert", so Knott nun in dem Schreiben. Sein Unternehmen besitze damit "keine Erfahrungswerte". Und weiter:
"Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen."
Knott dürfte sich mit dieser Aussage auf die unsichere Versorgungslage mit russischem Gas, den Ausfall weiter Teile der französischen Atomkraftwerke sowie eine durch niedrige Flusspegel stark reduzierte Wasserkraft in Europa beziehen. Ähnlich wie der Preussen Elektra-Chef äußerte sich auch der Geschäftsführer des TÜV-Verbands Joachim Bühler gegnüber der Bild. Bühler erklärte:
"Die drei laufenden Kernkraftwerke in Deutschland können derzeit schwankende Energieerzeugung aus Wind und Sonne kurzfristig ausgleichen und das Stromnetz stabil halten. Diese zeitkritische Funktion könnten die Kernkraftwerke in der Notreserve praktisch so nicht wahrnehmen, da das Anfahren aus dem Kaltbetrieb ein mehrtägiger Prozess ist."
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