Von Uli Gellermann
Der Spiegel – nur Ältere können sich daran erinnern, dass die Zeitschrift mal ein seriöses Organ der intellektuellen Debatte war. Das Blatt galt als sozialliberal, als die SPD-FDP-Gruppierung noch als irgendwie oppositionell galt. Als der Verlag dann versuchte, den Auflagenrückgang zu kompensieren, indem man den Häppchen-Journalismus des Focus kopierte, galt der Spiegel als "Bild am Montag". Doch längst hat die Bild den Spiegel als kritisches Blatt überholt, wenn es zum Beispiel um die irren Corona-Maßnahmen der Regierung geht.
Wladimir Putin als Brandstifter
Seit jüngerem macht sich das Hamburger Magazin zum Kampfblatt an der Russenfront: Mal gilt ihm Wladimir Putin als Brandstifter, dann wird der Mann als "größenwahnsinnig" bezeichnet; in der August-Ausgabe hat die Redaktion "Putins Schattenkrieger" entdeckt.
Eine rund zehnköpfige Redakteurstruppe transpirierte an einem achtseitigen Machwerk über den russischen Geheimdienst, als wären die Damen und Herren dabei gewesen. Der russophobe Sturmtrupp brillierte allerdings weniger durch jene sorgfältige Recherche, für die der Spiegel einst bekannt gewesen ist. Gemeinsam mit der US-Geheimdienst-Handpuppe Bellingcat schäumen die Damen und Herren vom Spiegel die handelsübliche Düsterschreibe auf, die immer dann eingesetzt wird, wenn man juristische Folgen vermeiden will.
Annalena Baerbock hat Angst
"Alles spricht dafür", schreibt die Tarntruppe, die auch gern das Wort "offensichtlich" benutzt, wenn man nichts Beweisbares hat, aber trotzdem mit Dreck schmeißen will. Die Nebelsprache steuert mit dem Satz "Wie so oft in Spionagefällen fehlt der letzte Beweis" auf einen Recherche-Höhepunkt zu, wenn die Netflix Serie "The Americans" zur Beweisführung hinzugezogen wird: Eine US-amerikanische Fernsehserie, die näher an James Bond spielt als an der Wirklichkeit. Und wenn diese Hollywood-Verweise die Leser immer noch nicht überzeugt haben sollten, wird die Angst der Annalena Baerbock zur Beweisführung hinzugezogen. Die nämlich habe Angst vor Angriffen auf deutsche Stromnetze. Und wer anders als der Russe soll diese Angriffe führen? "Seid ihr auch alle da?", ruft der Spiegel-Kasper und alle Medien-Kinder rufen "Jaaaa!"
Nazi-Profiteur Georg von Holtzbrinck
Wer ist das denn, der in der kriegsgefährlichsten Lage in Mitteleuropa seit der Kuba-Krise Sprit ins Feuer gießt? Der Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann hat seine Sorte Journalismus auf der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten gelernt; eine Schule, die nach dem Nazi-Profiteur und Verleger Georg von Holtzbrinck benannt ist. Und die bei den Nazis eingebaute Russophobie wirkt dort immer noch fort. Aber Klusmann ist nicht viel mehr als der Hausdiener, die wirklichen Ansagen kommen aus dem Verlagskonglomerat rund um den Bertelsmann-Konzern, in dem der Spiegel erscheint.
Hauptredner bei der Bücherverbrennung
Heinrich Mohn, der 1921 die Geschäftsführung von Bertelsmann übernommen hatte, war Förderer der SS und wollte aus seinem Unternehmen einen nationalsozialistischen Musterbetrieb machen. Das klappte auch prima mit dem Verlegen von Autoren wie Will Vesper, einem Hauptredner bei der Bücherverbrennung. Jüdische Zwangsarbeiter, die in Bertelsmann-Druckereien ausgebeutet wurden, sicherten dem "Musterbetrieb" schöne Extraprofite.
Die Behörden haben nichts gefunden
Unter der Überschrift "Europa im Fadenkreuz" soll eine scheinwissenschaftliche Grafik dem Artikel einen seriösen Anstrich geben. Nach dem Lügenwort "mutmaßlich" werden angebliche russische Geheimdienstoperationen aufgelistet, die aus der Fantasie der Redakteure und reichlich mit dem Wort "Versuch" garniert sind. Wunderbar fabuliert auch eine Aktion des Berliner Staatsschutzes, die in einem Klassiker des Verhüllungsjournalismus mündet: "Bei ihren bisherigen Analysen haben die Behörden nichts gefunden."
Schimären des Kalten Kriegs
Die von den Alliierten 1945 in Jalta beschlossene Entnazifizierung hat vor allem in den Westzonen des besetzten Deutschland kaum gegriffen. Immer noch ist der Hauptfeind "der Russe". Das Stereotyp ist ein Erbe sowohl der rassistischen Untermenschen-Theorie der Nazis als auch eines ideologischen Kriegs in der Nachkriegszeit, das den USA die Rolle der Guten und den Russen, die der Bösen zugewiesen hat. Diese Rollenbilder waren und sind zwar Schimären zur Verlängerung vom kalten in den heißen Krieg, aber der Spiegel will ja keinen Journalismus machen, sondern Umsatz. Man will das Blatt verkaufen. Das verkauft sich am besten, wenn man die Kriegstrommel rührt.
Uli Gellermann ist Filmemacher und Journalist. Seine Erfahrungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern grundieren seine Medienkritik. Er ist Herausgeber der Webseite RATIONALGALERIE.
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