Wegen zunehmend unbezahlbar werdender Energiekosten will die Führung der Ampelkoalition heute konkrete Schritte zur Entlastung der Bürger beschließen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geht das allerdings nicht weit genug. "Ebenso, wie zahlreiche Haushalte jetzt zufällig und unverschuldet von Preissteigerungen betroffen sind, müssen Unternehmen, die zufällig und leistungslos von der Krise profitieren, zur Kasse gebeten werden", forderte der SPD-Politiker im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Eine temporäre Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer lehnt die FDP jedoch weiterhin ab. "Aus Sicht der SPD ist es deshalb entscheidend, dass es einen echten Lastenausgleich in dieser Krise gibt", sagte Kühnert. Die Allgemeinheit teile diesen Wunsch. Angesichts der immer größer werdenden Verwerfungen komme es laut Kühnert deshalb nun darauf an, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einer Direktzahlung für Familien in Höhe von 3.000 Euro nannte der SPD-Generalsekretär hingegen unehrlich.
Einerseits wolle die Union die Ampelkoalition bei den Entlastungen mit immer neuen Forderungen überbieten. Ausnahmen von der Schuldenbremse oder eine Übergewinnsteuer zur Finanzierung des Entlastungspakets lehne sie auf der anderen Seite aber ab, kritisierte Kühnert und fügte hinzu: "In die Rolle des Posterboys für sozialen Ausgleich und Verteilungsgerechtigkeit wirkt Friedrich Merz maximal deplatziert." Vielmehr habe der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende "sein ganzes politisches Leben gegen genau diese Ziele gearbeitet".
Koalition plant Entlastungspaket
Im Laufe des Tages wollen sich die Ampelparteien auf finanzielle Entlastungen für Bürger einigen. Im Gespräch sind unter anderem gezielte Hilfen für Rentner und Studierende, Steuersenkungen sowie eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket. Jedoch gingen die Vorstellungen von FDP, Grünen und SPD über Art und Umfang der Entlastungen bis zuletzt teils deutlich auseinander.
So müsse die Regierung die neuen Hilfen nach Meinung des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil zum Beispiel zielgenauer als bisher einsetzen. "Wir müssen denen helfen, die wirklich in existenzielle Nöte geraten", erklärte er der Süddeutschen Zeitung. Dies bedeute auch, dass Gutverdiener Einbußen erleiden, "aber das können sie verkraften". Dass die Rentner hingegen bei der Energiepauschale von 300 Euro nicht berücksichtigt worden seien, sei "ein Fehler" gewesen, so Klingbeil. "Der muss jetzt korrigiert werden."
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen forderte eine Erhöhung des Kindergeldsatzes. "Familien leiden besonders unter den hohen Preisen. Deshalb sollte das Kindergeld deutlich angehoben werden und mindestens die Inflation ausgleichen", sagte sie der Rheinischen Post. Darüber hinaus sehen die Entlastungspläne der Grünen ein 29-Euro-Regionalticket sowie ein bundesweit gültiges 49-Euro-Ticket vor.
Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, die Fraktionschefs der Partei Die Linke, sprachen sich in den Zeitungen der Funke Mediengruppe derweil für eine zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer auf Produkte des täglichen Bedarfs aus. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel müsse "vorübergehend auf null gesetzt werden, damit die Lebensmittelpreise wieder sinken". Es sei "einfach unerträglich, dass sich immer mehr Menschen in unserem Land ernsthafte Sorgen darum machen müssen, wie sie ihre Wohnung heizen und Essen auf den Tisch bringen können", beklagten die beiden Politiker und warben weiter für einen Energiepreisdeckel für private Haushalte und einen Stopp der Gasumlage.
Erste Ergebnisse der Runde werden im Laufe des Abends erwartet. Zuvor hatte Friedrich Merz auf einer Klausur der Unions-Fraktionsspitze im oberbayerischen Murnau von der Bundesregierung mehr Führungsengagement gefordert. Er erklärte:
"Wir erwarten, dass jetzt die Bundesregierung endlich sagt, wie sie denn in diesen nächsten Wochen und Monaten das Land führen will."
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