Wegen hoher Energie- und Strompreise: Erste Unternehmen stellen Produktion in Deutschland ein

Die deutsche Wirtschaft leidet unter den steigenden Preisen. Ohne staatliche Hilfe könnte es für sie das Ende bedeuten. Hilfspakete gibt es bisher nicht. So verlagern erste Betriebe ihre Produktion ins Ausland oder schließen ganz.

Die deutsche Wirtschaft gerät wegen der hohen Energie- und Strompreise zunehmend unter Druck. Einige Unternehmen hätten die Produktion deshalb "ganz eingestellt", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nach seiner Teilnahme an der Kabinettsklausur in Meseberg laut einem Bericht der Financial Times. Dies seien keine guten Nachrichten, denn es könne bedeuten, dass die "betreffenden Industrien nicht nur umstrukturiert werden, sondern einen Bruch erleben – einen Strukturbruch, der unter enormem Druck geschieht", so Habeck. Insgesamt sei die Lage "alarmierend".

So liefen in einigen Firmen gar bereits erste Vorbereitungen, die Produktion aus Deutschland weg ins Ausland zu verlagern, wie die Berliner Zeitung aus Unternehmerkreisen erfuhr. Das geht auch aus neusten Umfragen der Industrie- und Handelskammern hervor. Wegen der hohen Energiekosten erwogen demnach immer mehr Unternehmen, ihre Produktion in Deutschland einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern.

"Jedes fünfte Unternehmen plant, Kapazitäten ins Ausland zu verlagern oder hat das bereits getan", mahnte der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) bereits im August. Diese Zahlen seien absolut alarmierend. "Die hohen Energiepreise bei Öl und Erdgas ebenso wie bei Strom und die fehlende Versorgungssicherheit gefährden den Industriestandort Bayern massiv."

Ein weiterer Indikator dafür, dass Deutschland angesichts der hohen Energiekosten offenbar ein reges Unternehmenssterben droht, ist der verringerte Gasverbrauch der Industrie, wie der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, nach der Kabinettsklausur in Meseberg laut einer Mitteilung des Verbands betonte. "Der Gasverbrauch der Industrie lag im Juli um 21 Prozent unter dem Verbrauch des Vorjahresmonats, aber Vorsicht vor falschen Schlussfolgerungen", erklärte Russwurm:

"Dahinter stehen oft keine Effizienzgewinne, sondern ein dramatischer Produktionsrückgang. Das ist kein Erfolg, sondern Ausdruck eines massiven Problems. Die Substanz der Industrie ist bedroht."

Die Lage auf den Strom- und Gasmärkten sei dramatisch, mahnte der BDI-Präsident, der als Gast an der Kabinettsklausur teilgenommen hatte. "Die Lage ist für viele Unternehmen schon jetzt oder in Kürze toxisch, nicht nur wegen des Gasmangels, sondern vor allem wegen der aberwitzigen Preissteigerungen." Durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Gas würden laut Russwurm allein private Haushalte entlastet, während die Industrie die Gasumlage in voller Höhe als zusätzliche Last tragen müsse.

Die Unternehmen bräuchten aber Klarheit, "ob jetzige Einsparungen im Falle einer Gasmangellage überhaupt künftig angerechnet werden können", heißt es in der Mitteilung weiter. Sonst zögerten die Firmen, "schon jetzt Gas einzusparen, weil ihr niedrigerer aktueller Verbrauch der Aufsatzpunkt sein könnte". Deshalb sei eine klar benannte Basis, wie etwa der Durchschnitt des Vorjahresmonatsverbrauches, dringend nötig.

Um ihre Produktion vorübergehend auch ohne Gas aufrechterhalten zu können, würden viele Betriebe nach Angaben des BDI das benötigte Gas kurzfristig auch ganz durch Öl ersetzen wollen. Dazu brauche es jedoch "Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und deutlich schnellere Entscheidungen der Behörden vor Ort". Viele Unternehmen seien deshalb "hochgradig unruhig" und warteten auf politische Führung und schnelle Entscheidungen, so der BDI. 

Zwar hatte der Bundeswirtschaftsminister den deutschen Unternehmen zuvor nicht näher benannte "Entwicklungsperspektiven" in Aussicht gestellt. Allerdings kündigte die Regierung auch im Fall der Unternehmenshilfen bisher nichts Konkretes an. So rückt die konjunkturelle Erholung wohl auch weiterhin in weite Ferne.

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