Enthüllungen des Nachrichtenportals Business Insider hatten dazu geführt, dass nicht nur seit Wochen über die Missstände beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) diskutiert wird und dessen Intendantin ihre Posten räumen musste. Nun hat das Portal nachgelegt: Es geht inzwischen nicht mehr nur um den rbb, sondern grundsätzlich um die Arbeitsweise von ARD und ZDF.
Journalistische Standards
Bei ihren nachfolgenden Rundfunk-Recherchen konnten die Rechercheure des Business Insider auf vertrauliche Unterlagen des NDR zugreifen. Internen Untersuchungspapieren zufolge haben sich in der Vergangenheit neun Journalisten des NDR-Landesfunkhauses Kiel über Missstände bei ihrem Sender beschwert.
Die internen Berichte haben es in sich. Denn die NDR-Journalisten prangern darin weniger die Verschwendung und das ausschweifende Leben der Senderleitung an, sondern üben harsche Kritik an der journalistischen Praxis und nicht eingehaltenen, bisweilen sogar unterlaufenen professionellen Standards.
So laufen die Aussagen der Zeugen, die anonym bleiben wollten, letztlich auf massive politische Zensur und persönliche Einschüchterung in der Redaktion hinaus. Teilweise werde Berichterstattung verhindert, kritische Informationen würden heruntergespielt.
"Pressesprecher der Ministerien"
Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, habe der Sender gegenüber dem Nachrichtenportal zunächst abgewiegelt und erklärt, NDR-Intendant Joachim Knuth sei über die entsprechenden Vorgänge informiert gewesen. Doch alle Abgrenzungsversuche gegenüber dem rbb scheinen dem Intendanten wenig genutzt zu haben. Denn die Enthüllungen legen nahe, dass von systematischer politischer und inhaltlicher Einflussnahme auf die Arbeit der Redakteure gesprochen werden muss. Der Business Insider zitiert aus den Berichten und schreibt:
"'Autoren würden abgezogen und Beiträge in den Abnahmen massiv verändert.' Die Vorwürfe der Redakteure mündeten gar in der Behauptung, es gebe beim NDR in Kiel einen 'politischen Filter', Führungskräfte würden wie 'Pressesprecher der Ministerien' agieren, die kritischen Themen frühzeitig die Relevanz absprechen."
Konfrontiert mit diesen Vorwürfen, habe der NDR die erwähnte frühere Stellungnahme korrigiert.
Verhinderte Aufklärung eines Rücktritts
Ins Rollen gekommen sei die Debatte um journalistische Standards beim NDR im Zuge der Recherchen über die Affäre um den früheren CDU-Innenminister Hans-Joachim Grote, in die auch der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther (ebenfalls CDU), verwickelt sein soll. Ein Journalist des Senders, der Licht in die Ungereimtheiten um den 2020 erfolgten Rücktritt von Grote bringen und dazu ein Interview mit dem Ex-Minister führen wollte, wurde in seinen Recherchen erheblich ausgebremst. Obwohl er unter Kollegen als "exzellenter Journalist" gelte, wurden die Texte des Reporters teilweise sinnentstellend umgeschrieben oder gar nicht erst abgenommen. Zum politischen Klima in der NDR-Redaktion heißt es in den internen Berichten, die Mitarbeiter würden nur von "Daniel" und "Heiner" sprechen, wenn es um den Ministerpräsidenten des Landes (Daniel Günther) und seinen Stellvertreter (Heiner Garg) geht.
Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Artikels des Business Insider habe "der langjährige Direktor des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, Volker Thormählen, […] eine Nachricht an die Mitarbeiter" geschrieben und sie zu einem "Open Talk" eingeladen. Noch am späten Abend des 24. August 2022 folgte eine ausführliche Stellungnahme des Senders.
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