Unter Berufung auf "hochrangige Regierungsvertreter" hatte das Wall Street Journal (WSJ) heute berichtet, dass in Anbetracht der möglichen Energieknappheit im kommenden Winter die Laufzeit der verbliebenen Atomkraftwerke verlängert werden soll.
Diese Kraftwerke tragen sechs Prozent zum insgesamt erzeugten Strom bei und liefern die angesichts volatiler erneuerbarer Energien zur Netzsicherheit nötige Grundlast.
Nach Angaben des WSJ seien einige Details noch in Bearbeitung, der Beschluss müsse noch durch das Kabinett und brauche zudem die Zustimmung des Bundestags, weil diese Entscheidung eine Abkehr von bereits getätigten Stilllegungsbeschlüssen darstellt.
Bestehende Schätzungen gehen davon aus, dass der Energieverbrauch im kommenden Winter um 20 Prozent sinken müsse, um das fehlende Erdgas zu kompensieren und dadurch ungesteuerte Blackouts zu verhindern, die katastrophale Folgen haben könnten. Eine Abschaltung der Kernkraftwerke würde diese Lücke noch weiter erhöhen. Schon die bisher benannten 20 Prozent sind allerdings kaum zu erreichen.
Heute überschritten die Preise für Stromverträge in einem Jahr an der Energiebörse das erste Mal die Schwelle von 500 Euro für die Megawattstunde.
Letzte Woche hatte bereits Bundeskanzler Olaf Scholz angedeutet, dass Überlegungen in Richtung einer Laufzeitverlängerung stattfänden. Die drei Quellen, auf die sich das WSJ beruft, sprachen von mehreren Monaten. "Die Reaktoren sind bis 31. Dezember sicher, und offensichtlich werden sie auch nach dem 31. Dezember sicher bleiben", wird eine davon zitiert.
Das unter Leitung des Grünen Robert Habeck stehende Bundesministerium für Wirtschaft hat allerdings bereits heute eine Sprecherin dementieren lassen.
"Dieser Bericht trifft nicht zu und entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Zudem kann ich darauf verweisen, dass der Stresstest zur Überprüfung der Stromnetzstabilität noch andauert."
Da man davon ausgehen kann, dass das Wall Street Journal seine Meldung nicht erfunden hat, deutet dieses Dementi auf einen Konflikt in der Koalition.
Gerade zu dem Zeitpunkt, als das Habeck-Ministerium ohnehin angeschlagen ist, weil Brüssel entschieden hat, dass die Gasumlage, die alle Bürger entrichten sollen, mit Mehrwertsteuer versehen werden muss. Dadurch erhöht sich der Betrag um weitere 19 Prozent, was auf keinerlei Freude bei den geschröpften Bürgern stoßen dürfte. Zudem entwickelte sich das Ministerium mit seinem Twitter-Kanal zum Running Gag im Internet.
In den nächsten Tagen dürfte sichtbar werden, wer die Oberhand behalten hat.
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