Am 3. August richteten die Stadtwerke Freiberg einen offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), in dem sie die Entscheidungen der Bundesregierung in der Energiepolitik kritisieren und eine Reihe von Forderungen stellen.
Auf der Webseite der Stadtwerke ist zu lesen, dass die Entscheidungen der Regierung im Hinblick auf die Energieversorgung und Gaslieferungen für diejenigen, "die vom Fach sind", schwierig nachzuvollziehen sind. Die Folgen einer ausufernden Energiepreisentwicklung treiben alle um, die Stadtwerke werden jedoch von "Verordnungen, Gesetzesentwürfen, Notfallplanungen und Hiobsbotschaften" getrieben, während sie gleichzeitig ihren Kunden verpflichtet sind.
Daher habe man sich in einem offenen Brief an Habeck gewandt und sieben klare Forderungen formuliert. Diese sind im Einzelnen:
1. Nationales Energiewendemoratorium
Man stimme damit überein, dass es einer schnellen Transformation der Energieversorgung bedarf, da man sich zu lange auf russisches Gas verlassen habe, was nun zu deutlich steigenden Energiekosten führe.
"Die derzeit vorangetriebenen Forderungen in Bezug auf die Energiewende sowie die Lösungswege zur Finanzierung der explodierenden Beschaffungskosten werden für weite Teile der Bevölkerung und der Industrie aber nicht zu bezahlen sein."
2. Abhängigkeit reduzieren und Wirtschaft stabilisieren
"Durch immer neue Umlagen wird versucht einen Markt zu retten, der längst nicht mehr existiert. Der völlig entfesselte Erdgasmarkt hat auch den Strommarkt längst infiziert. So werden heute 19 bis 20 Cent/kWh für unbesicherten Strom aus Windkraftanlagen für die Jahre 2023 und 2024 gezahlt. Derselbe Strom aus der gleichen Anlage kostete 2021 nur ein Viertel."
Man sei zudem auf dem Weg in neue Abhängigkeiten, da die nötigen Technologien nur in einem geringen Umfang in Deutschland hergestellt werden. Auch die Genehmigungsverfahren müssten deutlich vereinfacht werden.
3. Umlagen sofort stoppen
In einem weiteren zentralen Punkt wird gefordert, die Umlagen, die zur Finanzierung der Notlage eingeführt wurden, zu beenden. Zu diesen zählen neben der Einspeicherumlage auch eine Preisumlage zur Finanzierung der in wirtschaftliche Not geratenen Unternehmen und eine dritte Umlage, mit der mögliche Haftungsansprüche von Industriekunden im Falle von Abschaltungen finanziert werden sollen.
"Dies erfolgt alles vor dem Hintergrund der angeblich alternativlosen Aufrechterhaltung des Gasmarktes. Dieser Markt ist aber längst nicht mehr existent, da der Staat inzwischen überall eingreift. Im Falle von Verwerfungen an Geldmärkten werden diese zur Sicherung einfach zeitweise geschlossen. Dabei geht es dort nur um das Geld einzelner Marktteilnehmer, die das Risiko freiwillig tragen. Am Energiemarkt nimmt aber niemand freiwillig teil. Deshalb ist die gesamte Bevölkerung betroffen. Und genau deshalb ist es nicht zu verstehen, warum man hier die Marktmechanismen bis zu einer Beruhigung der Lage nicht auch stoppen kann."
Dies führe nicht nur zu sozialen Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft, sondern auch zwischen Ost und West.
"In Summe stellen die eingeführten und diskutierten Umlagemodelle lediglich einen Versuch dar, mit solidarischen Mitteln einen Markt am Leben zu erhalten, der längst zusammengebrochen ist."
4. Nationalen Energienotstand ausrufen – Preise festlegen
Zudem sei es äußerst wichtig, den Nationalen Energienotstand auszurufen, um die Marktpreise komplett glattzustellen.
"Bitte erklären Sie einem Unternehmer oder Kunden in Freiberg, dessen Lieferant aus dem Markt gegangen ist, weshalb er neben seinen immensen Nachbeschaffungskosten nun auch noch die günstigen Terminpreise seines Wettbewerbers oder Nachbarn solidarisch mittragen soll. Gleiches gilt für Unternehmen, die sich schon immer marktadäquat bei ihrer vertraglichen Beschaffung verhalten. Besonders verwerflich sind Marktaktivitäten verschiedener Händler im vergangenen Winter, welche ihren Kunden grundlos gekündigt haben, um mit dem bereits eingekauften Gas schnell Kasse zu machen. Als Grundversorger steht Stadtwerken wie uns dieser Weg, schon aus moralischen Gründen, nicht offen. In dieser Situation dem Neoliberalismus Raum zu lassen, verkennt die tatsächliche Lage."
5. Bundeslastverteiler einsetzen
Weiter solle sich Habeck dafür einsetzen, dass der Bundeslastverteiler eingesetzt wird. Setze man alle bestehenden Verträge für den Zeitraum der Krise außer Kraft, könne man das tatsächlich verfügbare Gas preisgleich und fair auf alle Verbraucher verteilen.
6. Nord Stream 2 freigeben
Eine Nichtinbetriebnahme von Nord Stream 2 sei nach Ansicht des Briefautoren eine "willkommene Begründung" zur Reduzierung der Erdgaslieferungen aus Russland, obwohl man auch über Druschba oder Yamal liefern könne.
"Deshalb ist es völlig egal, ob Deutschland weiter an der Verhinderung der Inbetriebnahme der Leitung festhält."
7. Sozialen Frieden sichern
An diesem Punkt wird darauf hingewiesen, dass niemandem geholfen sei, wenn "am Ende unsere wirtschaftliche Grundlage und der soziale Frieden dem blinden Vertrauen in nicht mehr funktionierende Marktmechanismen geopfert werden". An einer Transformation der Energiewirtschaft führe zwar kein Weg vorbei:
"Aber diese Transformation muss sicher, bezahlbar und gesellschaftlich getragen sein. Ich habe Sorge, dass der nötige gesellschaftliche und wirtschaftliche Rückhalt gerade verloren geht."
Am Ende weist der Autor, der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Freiberg Axel Schneegans, darauf hin, dass die regionalen Gegebenheiten einer Kleinstadt sowie sein Einfluss zwar gering seien, er aber dennoch hoffe, dass seine Forderungen auf fruchtbaren Boden fallen. Zumal sie nicht nur seine Ansicht, sondern auch die anderer Vertreter aus Freibergs Wirtschaft und Politik widerspiegeln.
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