Viele Autofahrer reagierten genervt, gar wütend auf die Blockaden auf der Berliner Stadtautobahn. Die Aktionen der Gruppe "Letzte Generation" sorgen bereits seit Monaten für Diskussionen und teils scharfe Kritik in Berlin. In diesem Jahr haben die radikalen Klima- und Lebensmittelaktivisten allein in der Bundeshauptstadt 149 Mal die Straßen blockiert.
Doch wie weit darf Protest gehen? In der Politik zeigte man teilweise Verständnis. Ziviler Ungehorsam sei "ein legitimes Mittel des politischen Protests", erklärte etwa die Grünen-Politikerin Ricarda Lang. Sie betonte zugleich, dass dabei aber "niemand gefährdet werden" dürfe.
Die Aktionen der Gruppe finden werktags statt und führen zu erheblichen Behinderungen im Berufsverkehr. Die Demonstranten versperren mit ihren Sitzblockaden nicht nur die Straßen, sie kleben zudem ihre Hände mit Sekundenkleber auf dem Asphalt fest, um zu verhindern, dass die Polizei sie abführt. Kritiker dieser radikalen Protestform warfen ihnen vor, durch die Blockaden auch Menschenleben zu gefährden. Den Verlautbarungen der Aktivisten zufolge würden ihre Aktionen aber keine Rettungswagen behindern. Man achte immer darauf, dass eine Rettungsgasse gebildet werden könne.
Doch das scheint mehrfach nicht der Fall gewesen zu sein. Wie aus einem Bericht des Tagesspiegel hervorgeht, waren mehrmals Rettungswagen behindert worden. Allein in den drei Blockadewochen im Juni und Juli sei es laut Bericht insgesamt acht Mal dazu gekommen. Der Tagesspiegel beruft sich dabei auf eine Antwort des Berliner Innenstaatssekretärs Torsten Akmann (SPD) auf eine Anfrage von FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja.
In der Antwort wurde demnach angeführt, dass die Wagen auf dem Weg zu Einsätzen oder mit Patienten zu Krankenhäusern trotz Blaulicht nicht vorankamen. Bei sechs der acht gemeldeten Fälle stehe in der Bilanz ein "verspätetes Eintreffen", in zwei Fällen hätten andere Rettungswagen alarmiert werden müssen, weil die Fahrzeuge wegen des Staus blockiert wurden. In allen Fällen prüfe die Polizei, ob Ermittlungen eingeleitet werden.
Die Zahl der am Einsatzort oder im Krankenhaus verspätet angekommenen Rettungswagen könnte demnach auch größer sein, denn die Fahrer seien nicht verpflichtet, die "Alarm- oder Anfahrtsverzögerungen" zu melden. FDP-Fraktionschef Czaja erklärte gegenüber dem Tagesspiegel:
"Protest endet spätestens dann, wenn er Menschenleben in Gefahr bringt, denn spätestens dann werden aus Protestlern Straftäter."
Es sei jetzt klar, dass Rettungswagen durch Blockaden "in ihrer Arbeit massiv eingeschränkt werden, was zu Gefahr für Leib uns Leben einzelner Menschen führt", so Czaja weiter. Er führte zudem an, dass er es nicht verstehen könne, warum der Berliner Senat so tue, als handele es sich bei den Aktionen "um harmlose Streiche verirrter Jugendlicher". Die Strafverfahren müssten laut dem FDP-Politiker beschleunigt und den Aktivisten zudem die Personalkosten der Polizei in Rechnung gestellt werden.
Tatsächlich tut sich die Justiz schwer mit der Strafverfolgung. Mehrere Hundert Anzeigen wurden gegen die Aktivisten bundesweit bereits erstattet. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft werden bislang 73 Ermittlungsverfahren bearbeitet. Anklagen sind bisher aber ausgeblieben.
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