Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sieht die vom Bund forcierte Energiewende angesichts der sich derzeit zuspitzenden Energiekrise in Deutschland als gescheitert an. "Die Energiewende, so wie sie geplant war, ist gescheitert. Der Bund will sie jetzt erzwingen, obwohl sich die Konstellationen verändert haben. Das wird schiefgehen", erklärte der Ministerpräsident am Montag der Nachrichtenagentur dpa.
Zwar sei der Ausbau der erneuerbaren Energien auch weiterhin eine Selbstverständlichkeit. "Aber die Grundlage für diesen Übergang, die Backup-Struktur mit Gaskraftwerken, ist weggefallen. Deshalb stellt sich die Frage, was nun der Plan ist. Das hat der Bund bisher nicht beantwortet, so Kretschmer. "Jetzt fällt das ganze Kartenhaus zusammen. Das ist bitter."
Die Pläne der Bundesregierung, trotz der anhaltenden Energiekrise an dem angestrebten Kohleausstieg festzuhalten, stoßen bei dem CDU-Politiker deshalb auf Unverständnis. Die vorhandenen Kraftwerke jetzt abzuschalten, sei das falsche Signal. Zwar sei klar, dass es perspektivisch keine Renaissance für die Braunkohle geben könne, so Kretschmer. "Aber wenn man nicht weiß, wie in zwei Monaten die Energieversorgung aussieht, und dennoch am vorzeitigen Ausstieg aus der Kohle festhalten will, dann passt das alles nicht zusammen."
"Energie ist die Achillesferse einer jeden Volkswirtschaft. Deshalb ist der Bund in der Pflicht, die Versorgung mit Erdgas, Erdöl und Elektroenergie zu sichern", betonte der Ministerpräsident. Ein Industrieland wie Deutschland könne nur mit Energiesicherheit funktionieren. Es sei die Verantwortung der Bundesregierung, die Probleme zu lösen und nicht nur zu beschreiben. Er hingegen nehme die Sorgen in der Bevölkerung um die explodierenden Energiepreise sehr ernst. "Eine galoppierende Inflation und immer neue Rekorde bei den Energiepreisen nehmen den Menschen und der Wirtschaft die Luft. Das ist beängstigend", erklärte Kretschmer.
Energiepreise auf Allzeithoch
Die bereits hohen Energiepreise waren in Deutschland infolge westlicher Sanktionen gegen Russland zuletzt erneut gestiegen. Bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs bezog Deutschland mehr als ein Drittel der hierzulande benötigten Energie aus Russland. Auf eine defekte Gasturbine zurückzuführende Kürzungen der russischen Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 ließen die Energiepreise dann endgültig ins Unermessliche steigen.
Doch sind die horrenden Energiepreise allein auf höhere Gewalt zurückzuführen? Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sieht in dem Preisallzeithoch vielmehr politisches Kalkül. Vergangene Woche warf er der Bundesregierung vor, die Energiepreise als Sparanreiz bewusst in die Höhe schießen zu lassen. Der Linken-Politiker hatte das Bundeswirtschaftsministerium angesichts der hohen Energiepreise in einer schriftlichen Anfrage dazu Stellung nehmen lassen, wie stark der Gaspreis für Privatverbraucher steigen könnte, wenn die Preisanpassungsklausel des Energiesicherungsgesetzes aktiviert wird. Dazu erwiderte Staatssekretär Patrick Graichen jedoch lediglich, dass es mangels Einblick in Verträge keine "valide Szenarienrechnung" gebe. Daher sehe "die Bundesregierung einen Gaspreisdeckel skeptisch."
Für Bartsch ist das Zynismus. Wirtschaftsminister Robert Habeck müsse die Gasversorgung sicherstellen und für bezahlbare Preise sorgen, so wie es andere Länder auch täten, sagte der Linken-Politiker der dpa. "Dass er stattdessen die Preise bewusst explodieren lässt und den Zuchtmeister am Heizungsregler spielt, ist inakzeptabel und abgehoben." Statt Appellen zum Energiesparen brauche Deutschland einen "Gaspreisdeckel nach europäischem Vorbild".
Scholz will an Energiewende festhalten
Trotz explodierender Energiepreise sowie der sich zuspitzenden Energiekrise in Deutschland und der daraus resultierenden zunehmenden Kritik möchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an der forcierten Energiewende der Ampelregierung festhalten. Deutschland sei eines der erfolgreichsten Industrieländer, betonte der Kanzler am Sonntag in einer Videobotschaft. Dies bedeute jedoch ebenfalls, dass "wir auch sehr viele CO2-Emissionen" haben. "Unser Ziel ist es, dass wir eines der ersten Länder sein werden, das CO2-neutral ist", erklärte Scholz.
Dass Deutschland angesichts des Ukraine-Kriegs vorübergehend gezwungen sei, auf bereits außer Betrieb gestellte Kraftwerke zurückzugreifen, sei zwar bitter. "Aber das ist nur für sehr kurze Zeit", so der SPD-Politiker. Denn mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien "legen wir jetzt erst recht los und wir wollen jetzt erst recht alles tun, um die Klimakrise zu bekämpfen". Mit seiner Ansage schlägt der Bundeskanzler somit sämtliche Warnungen vor einem drohenden Energie-Blackout in Deutschland in den Wind.
Denn durch das schrittweise Abschalten der konventionellen Kraftwerke infolge der Energiewende in Deutschland hat sich das Risiko eines Blackouts in Europa deutlich erhöht. Entgegen leerer politischer Versprechen sind Photovoltaikanlagen und Windräder nicht dazu in der Lage, konstant Strom zu produzieren. Das liegt daran, dass sie von externen Faktoren wie passenden Wetterbedingungen abhängig sind. Was ist, wenn kein Wind geht oder in den Wintermonaten weniger Sonne scheint? Woher kommt dann der Strom?
So fühlte sich nicht nur die Bundesnetzagentur mehrfach dazu genötigt, von der Bundesregierung einen Notfallplan zur Energiesicherheit zu fordern. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz in Bonn warnte in seiner aktuellen Übersicht mitunter auch deswegen erneut, dass Deutschland eine durch einen Stromausfall verursachte Katastrophe drohe, wenn man das Problem mit der unsicheren Versorgung nicht in den Griff bekomme. Das Frieren im Winter – vermutlich auch noch im Dunkeln –wird als Szenario somit immer wahrscheinlicher.
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