von Kaspar Sachse
Während Bundeskanzler Olaf Scholz zwischen Verhandlungen, Sanktionen und Waffenlieferungen hin- und herlaviert, agiert Boris Johnson seit Beginn des Ukraine-Krieges neben der US-Regierung als der Scharfmacher Nr. 1 unter den westlichen Staaten. Dabei setzt er alles daran, diplomatische Lösungen des Konflikts zu torpedieren.
Zuletzt soll der britische Premierminister den französischen Staatschef Emmanuel Macron davor gewarnt haben, nach nicht militärischen Wegen zur Beendigung des Konflikts zu suchen. Eine Mitteilung aus der Downing Street dazu lautete:
"Der Premierminister betonte, dass jeder Versuch, den Konflikt jetzt beizulegen, nur zu dauerhafter Instabilität führen und Putin die Möglichkeit geben würde, sowohl souveräne Länder als auch internationale Märkte auf Dauer zu manipulieren."
Bei einem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau am Sonntag vertrat Johnson einen ähnlichen Standpunkt. Über dieses Treffen schrieb die britische Plattform gov.uk:
"Die Ukraine steht auf Messers Schneide und wir müssen das Kräfteverhältnis des Krieges zu ihren Gunsten verschieben. Das bedeutet, dass wir die Ukraine mit den Verteidigungsfähigkeiten, der Ausbildung und den Geheimdienstinformationen ausstatten müssen, die sie braucht, um den russischen Vormarsch abzuwehren."
Das offizielle Moralisieren der ukrainischen Sache und das gleichzeitige Verteufeln der russischen hat freilich auch einen ökonomischen Hintergrund: Die Energieversorgung Englands ist weit weniger von den Konsequenzen der Sanktionen gegen Russland betroffen als die der EU und insbesondere Deutschlands, für das ein wirtschaftlicher Zusammenbruch durchaus zur Debatte steht.
Bereits seit 2017 wird Großbritannien mit Flüssigerdgas (Fracking-Gas) aus den USA versorgt. Weiterhin steht ein Ausbau der Offshore-Windenergie und die Wiederbelebung der Atomenergie bevor. Auch die britischen und norwegischen Öl- und Gasfelder in der Nordsee sowie eigene Schiefergasvorkommen sichern im Vergleich zu den EU-Staaten die Energieversorgung des Landes.
Ganz anders sieht es in der Bundesrepublik und in den EU-Staaten aus: Das Unternehmen BASF in Ludwigshafen ist ein deutliches Beispiel möglicher bevorstehender Produktionseinbrüche. Wenn die europäische Produktion am Boden liegt und der russische Markt wegen der Sanktionen ohnehin außen vor ist, stellt sich die Frage, wer dann seine Produkte nahezu konkurrenzlos nach Europa verkaufen kann: Es sind Großbritannien und die USA. Die imperialistische "Special Relationship", die zwischen den beiden (ehemals) angelsächsischen Ländern erstmals im Jahr 1946 vom damaligen britischen Premier Winston Churchill (herauf)beschworen wurde, würde nach der leichten Trump-/May-Eiszeit eine neue Hochphase erleben. Washington und London könnten über die Misere Europas einen eigenen Wirtschaftsboom initiieren.
Das könnte deren Interesse erklären, den Krieg so lange wie möglich auszudehnen und die Sanktionen aufrechtzuerhalten und auszuweiten. Der polnisch-US-amerikanische Diplomat und Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski, Autor des geopolitischen Klassikers "The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives", in dem er über die imperialistische Außenpolitik der USA in Europa und Asien ("Eurasien") schwadroniert, wird seine helle Freude daran haben. Denn mit dieser Strategie wird nicht nur Russland geschadet, sondern auch Europa zugunsten der Angelsachsen in den wirtschaftlichen Abgrund gerissen. Bereits der im Westen viel rezipierte "(neo-)liberale" Ökonom Josef Schumpeter definierte die "schöpferische Zerstörung" bereits im Jahr 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, als ein für den Kapitalismus wesentliches Faktum. Denn nach der Zerstörung erfolgt immer wieder der Aufbau – wobei die Profiteure beider Seiten dieser Medaille oftmals dieselben sind.
Abgesehen davon könnte sich der Brexit im Nachhinein noch als kluger Schachzug erweisen – erst Recht, wenn man sieht, welche osteuropäischen, überaus korrupten Pleitestaaten nun im Eilverfahren unter die Herrschaft des steuermittelvernichtenden bürokratischen Überwachungsmonsters in Brüssel drängen.
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