Scholz plant steuerfreie Einmalzahlung der Arbeitgeber als Inflationsausgleich

Nach dem 9-Euro-Ticket will die Bundesregierung den wachsenden Unmut über steigende Energie- und Lebensmittelpreise in Deutschland mit einem weiteren einmaligen Geschenk aus fremden Taschen beschwichtigen. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus.

Stark steigende Energiepreise und eine galoppierende Inflation: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) plant als Ausgleich die Möglichkeit einer steuerfreien Einmalzahlung durch die Arbeitgeber. Im Gegenzug sollen die Gewerkschaften bei Tarifrunden auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten, um so die Inflation nicht weiter anzuheizen, wie die Bild am Sonntag weiter berichtet. Entsprechende Pläne wurden der dpa aus Regierungskreisen bestätigt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Sonnabend: 

"Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich auf Einmalzahlungen an die Beschäftigten verständigen, um besonders schwierige Momente in den nächsten Monaten abzufedern, dann könnte auch der Staat dies sinnvoll ergänzen."

Am 4. Juli will der Kanzler in einer sogenannten konzertierten Aktion zusammen mit Spitzenvertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber beraten, wie die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen ist.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) reagierte zurückhaltend. Einmalzahlungen könnten sinnvoll sein, schreib er auf Twitter. Wo aber Unternehmen hohe Gewinne machen, sei eine Subventionierung der Arbeitgeber nicht angezeigt. Eine "wirtschaftsweite Ausdehnung des Corona-Bonus wäre kaum finanzierbar", merkte der Finanzminister an. Ähnlich skeptisch zeigte sich die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte sie am Sonntag:

"Ziel einer konzertierten Aktion muss es sein, die derzeitigen Belastungen für Privathaushalte und Wirtschaft zu mindern sowie eine widerstandsfähigere und nachhaltigere Wirtschaft auszubauen. Klar ist aber auch: Tarifverhandlungen werden nicht im Kanzleramt geführt."

Grundsätzlich begrüße sie aber, dass der Bundeskanzler gemeinsam mit den Arbeitgebern nach sozial verträglichen Lösungen suche. Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger betonte:

"Tarifverhandlungen werden nicht im Bundestag geführt."

Hinweise wie die von Mützenich könnten Verhandlungen eher erschweren als erleichtern, sagte Dulger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Uneinheitliche Bewertungen kamen von Ökonomen. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält die Variante in der gegenwärtigen Lage für "ein probates Instrument" in Tarifverhandlungen und bei Gehaltserhöhungen. Dem Handelsblatt sagte er:

"Hier könnte der Staat wie bei der Corona-Prämie diese Zahlungen, gegebenenfalls bis zu einem Höchstbetrag pro Jahr, steuer- und beitragsfrei stellen."

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Sonderzahlungen der Arbeitgeber für wenig zielführend, weil damit zu viele Menschen durch das Raster des Sozialstaats fielen. Er sagte:

"Höhere Löhne und Sozialleistungen sind der einzige, nachhaltige Weg, wie Menschen mit geringen Einkommen dauerhaft höhere Preise für Energie und Lebensmittel verkraften können."

CDU-Chef Friedrich Merz sieht nur geringe Spielräume, um die Preisentwicklung auszugleichen. Im Deutschlandfunk sagte Merz:

"Da kann man für alle ein bisschen bei den Energiesteuern tun. Das wird aber nur einen kleinen Effekt haben. Da kann man ein bisschen mehr tun für die besonders betroffenen privaten Haushalte in den unteren Einkommensgruppen. Das befürworten wir. (...) Diese Preise werden wir bezahlen müssen, und zwar sowohl in den privaten Haushalten wie auch in der Industrie."

Mit dem Steuernachlass beim Tanken, dem 9-Euro-Ticket, einer Energiepreispauschale im September/Oktober sowie weiteren Maßnahmen versucht die Regierung bereits, "die Bürger zu entlasten".

Lindner legt dem Kabinett seinen Haushaltsentwurf am 1. Juli vor. Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund nur in geringem Maße neue Kredite. In den Jahren 2020 und 2021 machte der Bund wegen hoher Lasten infolge der Corona-Maßnahmen von der Ausnahmeregelung Gebrauch, dieses Instrument in Notsituationen vorübergehend aufheben zu können. 2023 will Lindner die Schuldenbremse wieder einhalten.

Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken Christian Sewing plädierte für Flexibilität. Der dpa sagte er, es sei wichtig, dass die Schuldenbremse "mittelfristig" eingehalten wird. Die Haltung einer Regierung, an Vereinbarungen festzuhalten und ausgegebene Ziele zu erfüllen, sei "enorm wichtig für das Vertrauen des Marktes". Kurzfristig könne es aber sinnvoll sein, "vorübergehend etwas flexibler zu handeln".

(rt/dpa)

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