Der Ministerpräsident des Bundeslands Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) vermittelte den Zuschauern der Tagesschau am Dienstag um 17 Uhr nachdrücklich seine Vorstellungen benötigter "Instrumente" der Politik für den kommenden Herbst und Winter 2022. In dem Beitrag mit dem Titel "Corona-Pandemie – Länder fordern rasches Maßnahmen-Konzept" formulierte Kretschmann auf der Landespressekonferenz Baden-Württemberg folgende Feststellung:
"Ich möchte natürlich alles haben, zum Beispiel auch die Möglichkeit von Ausgangssperren. Das ist natürlich jetzt mit der FDP wirklich nicht zu machen."
Kretschmann habe für sich persönlich festgestellt, dass solche Maßnahmen "sich als wirksam erwiesen haben in einer bestimmten Phase". Aktuell fordern die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Nordrein-Westfalen sehr forciert, sich jetzt schon mit möglichen politischen Regularien für das Jahresende eindeutig zu positionieren, einen "Corona-Werkzeugkasten jetzt schon füllen", so die Formulierung im Tagesschau-Beitrag.
Der verbale Vorstoß irritiert dahingehend, da sich Kretschmann nach einer ähnlichen Äußerung im vergangenen Jahr als missverstanden darstellte. Im Juni des Vorjahres teilte Kretschmann der Stuttgarter Zeitung seine damaligen Vorstellungen hinsichtlich einer benötigten Maßnahmen-Politik mit:
"Meine These lautet: Wenn wir frühzeitige Maßnahmen gegen die Pandemie ergreifen können, die sehr hart und womöglich zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismäßig gegenüber den Bürgern sind, dann könnten wir eine Pandemie schnell in die Knie zwingen."
"Wir sollten also einmal grundsätzlich erwägen, ob wir nicht das Regime ändern müssen, sodass harte Eingriffe in die Bürgerfreiheiten möglich werden, um die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen."
Kretschmanns Überlegungen hatten ihm aus verschiedenen Parteien und aus der Bevölkerung scharfe Kritik eingebracht. Unter anderem den Vorwurf, die Verfassung anzugreifen. Der SPD-Politiker Dirk Wiese kommentierte im Juni 2021:
"Die Äußerungen von Winfried Kretschmann befremden zutiefst. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein hohes Gut. Der Gesetzgeber kann nicht einfach tun und lassen, was er will, wie es scheinbar Herrn Kretschmann vorschwebt."
Kretschmann teilte angesichts dieser Kritik mit, er bedauere, dass seine "Äußerungen in einem Interview zu Missverständnissen geführt" hätten:
"Im Rechtsstaat gilt immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – und zwar immer und ohne Einschränkung. Umso mehr ärgert es mich, dass durch meine Äußerungen offenbar dieser Eindruck entstanden ist."
Im Dezember 2021 glänze Kretschmann mit einer weiteren sehr speziellen Formulierung und Wahrnehmung, diesmal zum Thema COVID-Impfungen. Beim Grünen-Landesparteitag in Heidenheim ließ er die Delegierten wissen, dass für ihn die Corona-Pandemie eine "Plage biblischen Ausmaßes" darstelle. Daher sei für ihn sicher:
"Das ist für uns alle kaum mehr zu ertragen. Ich bin weder der Pharao, der unterdrückt, noch der Moses, der befreit."
"Das Impfen ist der Moses, der uns aus dieser Pandemie herausführt."
Im Dezember 2020, zu Beginn der ersten Impfkampagne, kam es zu dieser Aussage Kretschmanns:
"Die Bevölkerung wird durchgeimpft und dann ist es rum mit dieser Pandemie."
Im Februar 2022 zeigte sich Kretschmann sehr selbstkritisch, bezugnehmend des Verhaltens der Politik gegenüber den Bürgern. In einer Videobotschaft an eine Veranstaltung der Bundes-Grünen zum politischen Aschermittwoch ließ er wissen: "Gute politische Führung im 21. Jahrhundert, das bedeutet nicht, breitbeinig aufzutreten, Machtworte zu sprechen oder durchzuregieren", um dann mit sehr kurzer Halbwertszeit zu verkünden:
"Die Zeit der Basta-Politik ist glücklicherweise vorbei."
Trotz einer absolvierten Dreifach-Impfung wurde Kretschmann im März 2022 positiv auf Corona getestet.
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