Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier möchte junge Menschen wieder zu einem Zivildienst verpflichten. Am Wochenende hat er in der Bild am Sonntag eine Debatte über einen "sozialen Pflichtdienst" angeregt und dies damit begründet, dass eine Dienstpflicht die Gemeinschaft stärken könnte:
"Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn."
Ähnlich argumentiert auch die CDU: Die Gesellschaft werde immer pluralistischer, gleichzeitig begegneten sich viele soziale und ethnische Milieus nicht mehr, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, Carsten Linnemann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Mit einem "verpflichtenden Gesellschaftsjahr" könnte man dem entgegentreten.
Obwohl Steinmeier allgemein von einer Pflichtzeit sprach, also nicht explizit junge Leute adressierte, wurde sein Vorstoß von vielen so ausgelegt. Aus Sicht des Pflegerats könnte eine soziale Pflichtzeit dazu beitragen, junge Menschen "mit Pflege und Gesundheitsversorgung und damit mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe in Berührung zu bringen", sagte Präsidentin Christine Vogler am Dienstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Verhindert werden müsse aber, dass junge Menschen auf diesem Weg als preiswerte Pflegeersatzkräfte eingesetzt werden, ergänzte sie.
Jugendorganisationen verschiedener Parteien, darunter die Jusos, die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend, hatten Steinmeiers Vorschlag am Montag zurückgewiesen. Die Junge Union kann einer allgemeinen Dienstpflicht etwas abgewinnen. Ihr Chef Tilman Kuban sprach sich dafür aus, per Online-Umfrage zu klären, wie es um die Bereitschaft junger Leute stehe.
Aus Sicht von Verdi-Chef Frank Werneke greift ein Pflichtdienst in unzulässiger Weise in die Lebensplanung von jungen Menschen ein. Zudem müssten alle anstehenden staatlichen Aufgaben "grundsätzlich im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge erledigt werden, die entsprechend ausreichend finanziert werden muss", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Chef der Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Kristof Becker, kritisierte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe:
"Wer junge Menschen davon überzeugen möchte, in bestimmten Bereichen zu arbeiten, der sollte für gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sorgen und nicht nach Pflichtdiensten schreien."
Dem Bundespräsidenten zur Seite sprang der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Die Linke). Er forderte am Dienstag, "gelassener" auf das Thema zu blicken, und verglich die Dienstpflicht mit der Schulpflicht:
"Statt reflexartig einfach nur auf dem Bundespräsidenten rumzuhacken und wieder von neuem Zwang zu reden und dabei die Schulpflicht einfach auszublenden, werbe ich dafür, mit ein bisschen mehr Gelassenheit das Thema anzugucken", sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur.
Die Schulpflicht sei auch ein Zwang und der Staat greife in das Leben von jungen Menschen ein. Er frage sich, weswegen man nicht noch ein Jahr mehr "dazu definieren" könne.
Ramelow hatte sich bereits in der Vergangenheit immer wieder für eine Pflichtzeit für junge Erwachsene ausgesprochen. Dagegen positionierte sich der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch.
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(rt de / dpa)