Der umstrittene US-Datenanalysekonzern Palantir baut sein Europageschäft weiter aus. Wie jetzt bekannt wurde, planen nun offenbar auch Baden-Württemberg und Bremen, die Analysesoftware des Unternehmens einzusetzen. Das geht aus einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks unter den Innenministerien der Länder und des Bundes hervor. Auch das Landeskriminalamt Hamburg sei im Rahmen der bundesweiten Digitalisierungsstrategie "Polizei 2020" an einer Anwendung der Software interessiert.
Speziell geht es um die Software Gotham, ein KI-fähiges Betriebssystem, das es seinen Anwendern nahezu in Echtzeit erlaubt, riesige Datenmengen miteinander zu verknüpfen und zu analysieren. In Hessen und Nordrhein-Westfalen wird die Software bereits eingesetzt. Den Anfang machte allerdings das Bayerische Landeskriminalamt, das bereits zu Beginn des Jahres einen Rahmenvertrag mit Palantir zur Nutzung von VeRA (Verfahrensübergreifende Recherche und Analyse) unterzeichnete. "Die neue Software kann nicht nur in Bayern zum Einsatz kommen", erklärte der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts Harald Picker in einer zugehörigen Pressemitteilung der Polizei, die Anfang März veröffentlicht wurde. "Polizeien von Bund und Ländern haben jetzt die Möglichkeit, ohne zusätzliche aufwändige Vergabeverfahren dieses innovative Analysesystem zu nutzen."
Die Polizei müsse in der Lage sein, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, so Picker. Kriminalität werde zunehmend komplexer und digitaler. "Besonders im Blick haben wir die Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und schwerer Kriminalitätsformen wie z. B. sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Auch im Hinblick auf die aktuelle weltpolitische Situation und mögliche Auswirkungen auf unsere Sicherheitslage müssen wir die Analysefähigkeit der bayerischen Polizei zukunftsfähig machen."
Palantir ist umstritten
Palantir selbst wirbt damit, für das Gute in der Welt zu streiten. Allerdings war das Unternehmen bereits in eine ganze Reihe von Affären verstrickt. So hatte das Hackerkollektiv Anonymous im Jahr 2010 beispielsweise enthüllt, dass Palantir von der US-Regierung mit einer Analyse beauftragt worden war, wie mit der Veröffentlichung diplomatischer Depeschen durch WikiLeaks umzugehen sei. Zudem soll die Datenanlaysesoftware Gotham den US-Streitkräften Gerüchten zufolge dabei geholfen haben, Osama bin Laden ausfindig zu machen und zu töten.
Insbesondere wegen dieses Analysetools, das für "predictive policing" eingesetzt wird, die Analyse von Falldaten zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten, gilt das Treiben von Palantir als umstritten. "Wir töten Menschen auf der Basis von Metadaten", hatte der ehemalige NSA- und CIA-Chef Michael Hayden 2014 bei einer Veranstaltung der Johns Hopkins University zum Einsatz von Gotham erklärt. In den USA wird die Software bereits von nahezu jeder Behörde genutzt. Ob von der CIA, der NSA, dem US-Militär oder dem FBI, die Palantir-Software wird gerne genutzt.
Auf dem europäischen Markt findet der Konzern hingegen erst langsam Anklang. Noch im Februar hatte Palantir-CEO Alexander Karp auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Zurückhaltung europäischer Behörden beim Kauf seiner Produkte bemängelt. Für die Sicherheitsbranche und Regierungen sei es entscheidend, führte Karp in seiner Rede in München aus, auszuloten, unter welchen Umständen die jeweiligen Bevölkerungen die volle Ausnutzung des "Super"-Arsenals an Tools zur Überwachung von Kriminellen akzeptieren würden. "Viele Leute können sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, technisch umzusetzen, was ethisch korrekt ist", so Karp.
Im Gespräch mit der Welt erklärte er im April zudem, dass seine Software unabdingbar sei, um Kriminelle zu überführen, die ihre Taten zu verschleiern wissen: "Bei Anfängern genügen den Ermittlern manchmal Bleistift und Papier. Aber um einen Profi zu überführen, der seine Spuren hinter Bergen von Daten verschwinden lassen kann, brauchst du Software, die die richtigen Daten mit größter Schnelligkeit und unter penibelster Berücksichtigung des Datenschutzes analysieren kann. Weil dies nur die Palantir-Software sicherstellen kann, wird sie von Polizeibehörden in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und vielen anderen Ländern weltweit eingesetzt."
Mangelnder Datenschutz
Das Datenanalyseunternehmen betont zwar stets, dass es großen Wert auf Datenschutz lege und die Kunden somit Herr über ihre Datenbestände blieben, allerdings bezweifeln Datenschützer solche Zusicherungen stark. Palantir sei eher eine "Schlüsselfirma in der Überwachungsindustrie", die private Daten an Geheimdienste liefert, ohne Verantwortung für ihren Umgang mit sensiblen Daten übernehmen zu müssen, da sie nahezu keinen gesetzlichen Regularien und keiner parlamentarischen Kontrollen untersteht, warnen die Datenschützer.
In Europa wachse zudem die Sorge, dass Palantir zum Einfallstor für US-Nachrichtendienste werden könne, da die Firma den US-Spionage- und -Sicherheitsgesetzen unterworfen ist. Das Unternehmen könnte auf dieser Grundlage demnach dazu verpflichtet werden, die in Europa erlangten Daten an US-Behörden weiterzureichen.
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