9-Euro-Ticket: Bereits sieben Millionen Mal verkauft

Ab Mittwoch gilt bundesweit das sogenannte 9-Euro-Ticket. Einen Tag vor dem Start hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mitgeteilt, dass bislang mehr als 7 Millionen der vergünstigten Fahrkarten verkauft wurden. Unterdessen befürchtet die Deutsche Bahn Engpässe, und warnt vor Enttäuschungen.

Die Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket bleibt hoch: Bis kurz vor dem Ticket-Start an diesem Mittwoch sind bereits sieben Millionen der Sonderfahrkarten verkauft worden, wie der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) am Dienstag mitteilte. Die Zahlen beziehen sich auf alle Verbünde und Unternehmen sowie auf Verkäufe online, an Schaltern oder an Automaten. Nach Einschätzung des Verkehrsministeriums in Berlin handele es sich dabei überwiegend um "zusätzliche Kunden, die bislang kein Abonnement haben".

Mit dem 9-Euro-Ticket beginnt für die Branche und die Politik an diesem Mittwoch ein Experiment. Damit kann im Juni, Juli und August im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch ganz Deutschland gefahren werden. Die Bundesregierung will nach eigenem Bekunden mit dieser Aktion die Verbraucher angesichts der hohen Inflation entlasten. Gleichzeitig sollen möglichst viele Menschen für den umweltfreundlicheren Umstieg auf Busse und Bahnen begeistert werden.

Gerade an dem Erreichen des letzteren Ziels äußern Experten jedoch vermehrt Zweifel. Die Verkehrsbetriebe hätten keine oder nur sehr geringe Möglichkeiten, ihr Angebot an eine abrupt steigende Nachfrage anzupassen, heißt es. Befürchtet werden zudem überfüllte Züge, Busse und Bahnen, sodass neue und alte Kunden eher negative denn die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bewerbende Erlebnisse haben könnten. 

Der VDV schätzt, dass pro Monat rund 30 Millionen Menschen das 9-Euro-Ticket nutzen werden – entweder über ihre Abos oder mit einem neu gekauften Ticket. 

Der Vizepräsident des VDV, Ingo Wortmann, sagte am Dienstag: 

"Wir werden zu wenig Angebot haben für einen echten Umstieg in den Städten und in den Ballungsräumen. Dort brauchen wir in Zukunft Taktverdichtungen, das muss finanziert werden."

In ländlichen Regionen wiederum müsse häufig überhaupt erst einmal ein Angebot im ÖPNV geschaffen werden:

"Es gibt ländliche Räume, da ist am Wochenende überhaupt kein Angebot."

Die Deutsche Bahn hatte schon am Montag vor überfüllten Zügen und Verspätungen gewarnt. Die Aktion rund um das Sonderticket treffe das größte deutsche Eisenbahnunternehmen in einer Phase, in der viel in die Infrastruktur investiert werde und Fahrgäste ohnehin baustellenbedingt von Verspätungen, Umleitungen und Zugausfällen geplagt würden. Erst gegen Ende des Jahrzehnts könnten die Kunden mit einem bundesweit reibungslosen Betriebsablauf rechnen. 

In einer Pressekonferenz am Montag kündigte der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, einen "Paradigmenwechsel in der Infrastruktur" und nochmals gesteigerte Investitionen in die Strecken ab dem Jahr 2024 an. Für das laufende Jahr musste die Bahn indes ihr Pünktlichkeitsziel, 80 Prozent der Züge nach Plan fahren zu lassen, bereits zurücknehmen. 

Experten erinnern an die Einführung des "Schönes Wochenende"-Tickets in den 1990er Jahren. Anfangs durften bis zu 5 Personen gemeinsam für 15 Mark in Regionalzügen am Wochenende fahren. Dies führte dazu, dass die Züge bald über die Kapazitätsgrenzen überlastet waren, sodass der Preis und die Nutzungsbedingungen mehrfach angepasst werden mussten, um die Nutzung einzudämmen.

Beim 9-Euro-Ticket kommt hinzu, dass Fahrgäste bei einem über einen längeren Zeitraum und nicht nur für eine Fahrt gültigen Fahrausweis dazu neigen, möglichst viele Fahrten innerhalb des Gültigkeitszeitraums damit zu unternehmen. Die Verhältnisse in den Zügen, so wird befürchtet, könnten dieses Mal noch weitaus dramatischer ausfallen als bei dem Experiment mit dem "Schönes Wochenende"-Ticket. 

Wie voll es tatsächlich werden wird, kann derzeit kaum jemand vorhersagen. "Wir haben keinen blassen Schimmer", sagte kürzlich der Chef der Bahn-Regionaltochter DB Regio, Jörg Sandvoß, zu dieser Frage. Die Deutsche Bahn will 50 zusätzliche Züge einsetzen und das Personal verstärken. Mit den Fahrzeugen könnten am Tag 250 zusätzliche Fahrten angeboten werden, heißt es. Sie sollen vor allem entlang der Touristenstrecken in Richtung Nord- und Ostsee sowie im Süden eingesetzt werden. Doch angesichts von durchschnittlich rund 22.000 Regionalbahnfahrten jeden Tag sind Fachleute skeptisch, ob das reicht. 

In der Diskussion rund um das Sonderticket ging es zwischen Bund und Ländern in den vergangenen Monaten auch deshalb vor allem um mehr Mittel. Bundesverkehrsminister Wissing verwies am Dienstag auf eine jüngst eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der Fragen rund um Ausbau, Finanzierung und Effizienz des ÖPNV behandelt werden sollen.

Debatten rund ums Geld dürften die kommenden drei Monate ebenso prägen wie die Erfahrungen der Fahrgäste auf ihren Reisen im ÖPNV. Eine erste Bewährungsprobe steht bereits am kommenden Wochenende an, wenn Millionen Menschen in den Pfingsturlaub fahren wollen.

Jedes 9-Euro-Ticket gilt einen Kalendermonat lang und berechtigt zu beliebig vielen Fahrten mit Bussen, U-Bahnen, S-Bahnen und Straßenbahnen im Nahverkehr sowie allen Regionalverkehrszügen. Dagegen gilt es nicht in Zügen des Fernverkehrs (ICE, InterCity und EuroCity).

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RT DE / dpa