Bundesregierung macht auf Gigafactory: LNG-Infrastruktur soll an Prüfungen vorbei errichtet werden

Am Freitag kommt der Emir von Katar nach Berlin, es geht um die Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG). Die dafür notwendige Infrastruktur soll trotz verschiedener Bedenken per Gesetz an üblichen Regularien vorbeigeprescht werden. Dazu berät der Bundestag am Donnerstag.

Deutschland setzt auf verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG), und dafür auf neue Partner und Infrastruktur. Nach seinem Besuch im März beim Emir von Katar hatte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erfreut gezeigt – man habe eine langfristige Energiepartnerschaft eingeleitet. Am Freitag kommt Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani nun zu einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz nach Berlin. Katar liefert Gas bislang vor allem nach Asien, will seine Kapazitäten in den kommenden Jahren aber stark ausweiten.

"Wir wollen unsere US-Flüssiggasanlage Golden Pass in Texas, an dem Qatar Energy 70 Prozent hält, bereits 2024 so weit haben, dass wir nach Deutschland liefern können", erklärte Katars Vizepremier, Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani, dem Handelsblatt am Donnerstag.

Vor einer Woche, am 12. Mai, war Scheich Tamim Bin Hamad al-Thani bereits zu einem eintägigen Staatsbesuch in Teheran. Katar und Iran teilen sich ein riesiges Gasfeld: North Dome, unter dem Persischen Golf. Bis spätestens 2026 soll die katarische Gasförderung daraus von derzeit 77 auf 126 Millionen Tonnen LNG gesteigert werden. "Wir wollen wissen, wie viel davon Deutschland langfristig abnehmen will", sagte Katars Botschafter, Scheich Abdulla bin Mohammed al-Thani dem Handelsblatt.

Gas aus Katar ist einer der Bausteine in der deutschen Energie-Strategie, die kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele umfasst. Kurzfristig sollen LNG-Lieferungen auch aus Katar dabei helfen, für den kommenden Winter die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Mittelfristig soll auch LNG-Gas aus Katar an geplanten deutschen LNG-Terminals, etwa in Brunsbüttel, anlanden – und dazu braucht es Lieferverträge mit deutschen Unternehmen.
Auch die USA sollen künftig große Mengen Flüssiggas (LNG) liefern, ein Ziel das Washington seit langem verfolgt.

Ende März hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Frühwarnstufe des sogenannten "Notfallplans Gas" aktiviert. Ein Krisenteam sollte die Versorgung genau im Blick behalten und täglich Bericht erstatten. Die Gasnetzbetreiber sollen Gas bei Bedarf umleiten und sich gegebenenfalls bemühen, zusätzliches Gas zu beschaffen. Dass Katar insbesondere hinsichtlich der im Falle Russlands oft bemängelten Menschenrechtslage nicht eben lupenrein da steht, haben internationale Organisationen wie Amnesty International vor allem vor dem Hintergrund der Fußball-WM kritisiert – und das ist auch der Bundesregierung bewusst. Doch der Druck auf Berlin, ein Embargo russischer Energie-Lieferungen durchzusetzen, ist groß. Daher lautet das oberste Ziel die Abkehr von russischen Lieferungen. Und ausgerechnet der Grünen-Politiker musste in der katarischen Hauptstadt Doha "seinen Diener machen", wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung es formulierte. Habeck war außerdem in Norwegen und hat nach eigenen Angaben auch Gespräche über mögliche Lieferungen mit Kanada geführt.

Am Donnerstagabend soll ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vom Parlament beschlossen werden. Der Einkauf von LNG sei eine der wenigen Möglichkeiten Deutschlands, auf dem Weltmarkt kurzfristig zusätzliche Gasmengen zu beschaffen, hieß es dazu.

Allerdings ist LNG weitaus teurer, und bisher besteht überhaupt nicht die notwendige Infrastruktur, um es anlanden, regasifizieren und weiterleiten zu können. Um das LNG in Deutschland überhaupt nutzen zu können, müsste erst eine LNG-Importinfrastruktur errichtet werden. Diese ist bereits früher an verschiedenen Vorbehalten gescheitert, darunter Umweltschutz und Sicherheit der Anwohner. Die Ampel jedoch macht auf Gigafactory: Der Gesetzentwurf sieht vor, es den Genehmigungsbehörden zu ermöglichen, von bestimmten Verfahrensanforderungen – insbesondere bei der Umweltverträglichkeitsprüfung.

Deutlich gegen das Gesetz zum schnelleren Bau von Anlagen für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) wollen BUND, Nabu und WWF vorgehen. Vereinbart sei, Widerspruch gegen den Baustart von LNG-Terminals am Standort Wilhelmshaven einzulegen, wie die Umweltschutzorganisationen am Donnerstag mitteilten.

Die aktuelle Energiekrise dürfe von der Gaswirtschaft nicht missbraucht werden, um im Ergebnis mehr Erdgas in Deutschland abzusetzen als vor dem Krieg, erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Das Beschleunigungsgesetz loggt uns in eine überdimensionierte und klimaschädliche Planung ein", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.

Der Unionsfraktion gehen die von der Bundesregierung vorgesehenen Erleichterungen etwa im Vergaberecht und bei der Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht weit genug. Stattdessen sei es angebracht, per Gesetz Baurecht für die geplanten festen und schwimmenden LNG-Terminals in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade sowie Hamburg, Rostock und Lubmin zu schaffen.

Niedersachsens Energieminister Olaf Lies zeigte sich derweil optimistisch, dass allein die in Niedersachsen geplanten Terminals zur Einfuhr von Flüssigerdgas (LNG) die Gasimporte aus Russland perspektivisch vollständig ersetzen könnten.
Demnach soll das LNG-Terminal in Wilhelmshaven eine Kapazität von zunächst 8 Milliarden und künftig mindestens 22 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr haben, das in Stade könne für weitere 13 Milliarden Kubikmeter genutzt werden.

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