Proteste bei G7-Agrarministertreffen: Özdemir nennt Landwirte "radikalen Rand mit Pestizidmaschinen"

Das Treffen der G7-Agrarminister am Wochenende sorgte gleich mehrfach für Aufsehen – allerdings nicht wegen des prominenten Besuchs von Bundesagrarminister Cem Özdemir, sondern wegen der mit dem Treffen einhergehenden Proteste der Landwirte. Für diese hatte Özdemir keine guten Worte übrig.

Eigentlich sollte das G7-Agrarministertreffen am vergangenen Wochenende im Zeichen der aktuellen Lebensmittelknappheit infolge des Ukraine-Krieges stehen. Allerdings sorgte unerwartet ein ganz anderes Thema für Aufsehen. Denn als Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) seine ausländischen Amtskollegen am Tagungsort bei Stuttgart am Freitag begrüßte, erwartete ihn anstelle des sonstigen Medienrummels eine lautstarke Mahnwache der Freien Bauern Baden-Württemberg – und just kam es zum Eklat.

Der Verein "Land schafft Verbindung", eine Vereinigung mehrerer Landwirte, hatte im Vorfeld zu einem Traktorenprotest während der Konferenz aufgerufen. Man habe sich zu der Demonstration entschieden, da Sorge um den Fortbestand der einzelnen Höfe bestehe. Die wegen des Krieges in der Ukraine gestiegenen Kosten würden sich nicht in den Erzeugerpreisen widerspiegeln, hieß es in einer Mitteilung des Vereins. Angesichts des Veranstaltungsauftakts am Freitag forderten die Bauern den Bundesagrarminister deshalb dazu auf, sich direkt auf den Höfen umzusehen und dort mit den Landwirten zu sprechen. 

Doch anstatt Verständnis für den Ärger der Bauern zu zeigen, erklärte Özdemir am Folgetag in einem Interview mit dem SWR, dass er Kritik der "radikalen Ränder" ausgesetzt gewesen sei. Der Agrarminister sei demnach häufig auf Höfen, auf denen er große Zustimmung erfahre. Er könne nicht auf jede Meinung eingehen und wolle stattdessen bei seinem "Kurs der Mitte" bleiben. Zudem erfahre er Kritik darüber, "dass ich nicht die Pestizidmaschine angeworfen habe", so der Grünen-Politiker weiter. "An den radikalen Rändern gibt es Kritik", das müsse er "aushalten" und damit leben. 

Am liebsten hätte er während der Tagung direkt das Gespräch mit den protestierenden Bauern gesucht, was zeitlich nicht möglich gewesen sei, sagte der Agrarminister dem SWR abschließend. Leere Worte, wie sich später herausstellte. Denn um den Bauern auszuweichen, wurde der Tagungsort am zweiten Tag der Konferenz kurzerhand vom Schloss Hohenheim ins Waldhotel Degerloch verlegt. Man habe sicherstellen wollen, dass die Gäste rechtzeitig die Konferenz verlassen und ihre Flüge erreichen können und nicht durch die anrollenden Trecker behindert werden, erklärte Özdemir den spontanen Wechsel des Tagungsorts. 

Dennoch führten die Landwirte ihren Protest weiter fort. Die Bauern fühlen sich zu Unrecht als radikale Ränder bezeichnet und fordern nun eine offene Entschuldigung des Agrarministers. Bauern seien kein "radikaler Rand", sondern würden täglich Menschen mit Nahrung versorgen, zitiert der SWR einen offenen Brief von Albert Gramling, dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Neckar-Odenwald.

"Wir kämpfen um das Überleben der landwirtschaftlichen Familienbetriebe", sagte Wolfgang Kölle, Vorstandsmitglied von "Land schafft Verbindung". Die Landwirte seien enttäuscht von Özdemir. "Wir haben große Hoffnungen in Cem Özdemir gesetzt. Er muss jedoch noch lernen, wie ein landwirtschaftlicher Betrieb funktioniert", erklärte der Vorsitzende des Vereins, Christian Coenen. "Immer mehr Auflagen bedeuten, dass die Großen überleben und die Kleinen aufgeben", so Coenen.

Insbesondere in den sozialen Medien ist der Agrarminister wegen seiner Äußerungen heftiger Kritik ausgesetzt. "Ich gehöre dann wohl auch zum radikalen Rand, denn auch ich würde Sie gerne auf unseren Betrieb einladen", hieß es unter anderem in einer auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft von Hermann Grupe, Biolandwirt und Agrarsprecher der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Angesichts der drohenden Lebensmittelknappheit infolge des Ukraine-Krieges solle man nun sachlich über die aktuelle Problematik reden, kritisierte er Özdemir.

Der Deutsche Bauernverband reagiert auf die Aussagen des Grünen-Politikers sogar mit einer Twitter-Kampagne. Die Landwirte der Vereinigung seien über Özdemirs Aussagen "mehr als verwundert", erklärte der Verband.

Die vom Bundesminister als "radikal" abgestempelten Landwirte nahmen die Äußerungen Özdemirs allerdings auch mit Humor. "Wir sind Radikale, naja, die Deutsche Umwelthilfe aber auch", schrieb eine Nutzerin bei Twitter. 

Der Agrarminister lenkte angesichts der scharfen Kritik nun allerdings ein und kündigte noch am Wochenende an, auf die Landwirte zugehen zu wollen. Demnach werde er demnächst in Stuttgart, wo er seinen Wahlkreis habe, den Verein "Land schafft Verbindung" treffen. Dort wolle er das Gespräch suchen. 

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