Lauterbach will Evaluierung der Corona-Maßnahmen um ein Jahr verschieben

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant, die Evaluierung der Corona-Maßnahmen um etwa ein Jahr zu verschieben. Rund um das zuständige Expertengremium scheint es zu rumoren. Drosten hat den Expertenrat verlassen, Lauterbach spricht von "bösartigen Unterstellungen".

Seit mehr als zwei Jahren wird über die Wirksamkeit der Corona-Schutzmaßnahmen diskutiert. Bis Ende Juni sollte ein Expertengremium dem Bundestag dazu eine Evaluation der Maßnahmen vorlegen – wie im Infektionsschutzgesetz vorgesehen. Doch inzwischen gibt es im Gremium Streit darüber, ob man die Maßnahmen überhaupt angemessen evaluieren könne.

Am Donnerstag teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) per Twitter mit, dass er es bedaure, dass der Charité-Virologe Christian Drosten das Expertengremium verlasse. Am Freitag erklärte er dann im Interview mit dem TV-Sender Phoenix den Vorgang und nahm Stellung zu der Causa.

Drosten habe unter großem Druck gestanden, so Lauterbach. Ihm sei angeblich unterstellt worden, dass er keine Evaluierung wolle, um die Maßnahmen, an deren Entwicklung er selbst beteiligt gewesen ist, nicht bewerten zu müssen. "Das ist eine Unterstellung gewesen", so Lauterbach, "das war falsch, bösartig". Weiter führt er aus, dass sich vor allem eine Zeitung damit profiliert habe, ohne konkrete Namen zu nennen.

Lauterbach dürfte sich damit jedoch auf die Berichterstattung der Welt am Sonntag beziehen, die seitdem weitere Details publik gemacht hat. So war sich der Sachverständigenrat über die Verschiebung der Evaluierung wohl nicht so einig, wie von Lauterbach dargestellt. Demnach ist es in erster Linie der Gesundheitsminister selbst, der die Evaluierung um ein ganzes Jahr verschieben möchte.

So habe Lauterbach gegenüber Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geäußert, dass man den Evaluierungsauftrag "sicherlich nicht vor Sommer 2023 in ausreichender Qualität und Tiefe" erfüllen können. Zudem habe nur ein Teil der Expertenkommission den Wunsch nach einer Terminverschiebung geäußert und nicht die gesamte Gruppe.

Brisant dabei ist auch, dass FDP-Vize Wolfgang Kubicki wenige Stunden vor Drostens Rückzug den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags angefragt hat, ob Drosten überhaupt die gesetzliche Anforderung, unabhängig zu sein, erfülle, um an der Evaluierung mitzuarbeiten. Mit dem Ausscheiden Drostens aus dem Gremium hat sich diese Frage nun wohl erledigt.

Bei Phoenix hatte Lauterbach wiederum erklärt, es fehle dem Gremium an Experten. Nach dem Abgang Drostens sei mit Hendrik Streeck nur noch ein Virologe im Team, zudem fehle es an Mathematikern für Berechnungen. Auf Wunsch der Vorsitzenden des Gremiums habe er jetzt prüfen sollen, ob es Stellenausschreibungen für die benötigten Mathematiker gibt oder ein Team von Leuten "zuarbeiten könne".

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