Seit Wochen wird Berlin vorgeworfen, zu zögerlich bei der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine zu sein. Am Dienstag hat die Bundesregierung Kiew dann doch noch schwere Waffen wie etwa Gepard-Flugabwehrpanzer zugesichert. Kritiker dieses Schritts verwiesen auf die Gefahr einer möglichen Kriegsbeteiligung Deutschlands. Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag könne die westliche Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt gewertet werden. Dies berichtet das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf das zwölfseitige Dokument.
"Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme" heißt das Gutachten, das bereits im März erstellt worden sei. Demnach erlaube es die Charta der Vereinten Nationen, an die sich auch Russland gebunden fühlt, jedem Staat, einen "angegriffenen Staat zu unterstützen, ohne dabei selbst Konfliktpartei werden zu müssen". Dem RND zufolge heißt es konkret in dem Gutachten:
"Dabei nimmt der unterstützende Staat eine nicht-neutrale, gleichwohl aber am Konflikt unbeteiligte Rolle ein."
Es handele sich um die Rolle der sogenannten "Nichtkriegsführung", die die "traditionelle Neutralität" inzwischen völkerrechtlich ersetzt habe. Demnach würden die Waffenlieferungen nicht als Kriegseintritt gelten, "unabhängig vom Umfang der Lieferungen" und auch unabhängig von der Frage, ob es sich um "offensive" oder "defensive" Waffen handelt.
Doch wie aus dem Papier hervorgehe, könnte dem RND-Bericht zufolge die Unterstützung für Kiew allerdings unter einer Bedingung dennoch anders gewertet werden. So heißt es:
"Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen."
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass das US-Verteidigungsministerium in Deutschland bereits Angehörige ukrainischer Streitkräfte ausbilden lässt. Demnach hätten die USA mit Unterstützung der Bundesregierung mit der zusätzlichen Ausbildung ukrainischer Soldaten in US-Militäreinrichtungen in Deutschland begonnen, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am vergangenen Freitag.
Welcher Militärstützpunkt genutzt wird, wurde dabei nicht präzisiert. Die Bundesrepublik sei einer von "mehreren Standorten", an denen die USA Ukrainer außerhalb der Ukraine ausbilden.
Wenige Tage zuvor hatte schon Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein angekündigt, dass "in Zukunft Soldaten aus der Ukraine auf deutschem Boden an Artilleriesystemen ausgebildet werden sollen". Auch Kirby erklärte am Freitag, dass derzeit die "anfängliche Artillerieausbildung" stattfinde sowie "eine Ausbildung an Radarsystemen und gepanzerten Fahrzeugen, die kürzlich als Teil der Sicherheitshilfepakete angekündigt wurden".
Den Aussagen des Pentagon-Sprechers zufolge werde der Großteil der Ausbildung von der Nationalgarde Floridas durchgeführt. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte laut Kirby im Februar "die vorübergehende Verlegung von etwa 160 Angehörigen" der Nationalgarde angeordnet, "die damals die Gemeinsame Multinationale Ausbildungsgruppe Ukraine unterstützten".
Und während die Bundestagsfraktion der Linke betont, dass die Bundesrepublik mit diesem Schritt riskiere, direkt in den Krieg in der Ukraine hineingezogen zu werden, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin, dass die Bundesregierung weiter davon ausgeht, dass Deutschland mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten völkerrechtlich betrachtet nicht zur Kriegspartei wird. Der Bundesregierung sei das Gutachten bekannt, so Hebestreit. Jedem sei klar, dass man sich immer wieder in einer schwierigen Abwägung befinde. Der Regierungssprecher fügte zugleich hinzu:
"Unsere Überzeugung ist, dass auch die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland an Waffensystemen weiterhin keinen direkten Kriegseintritt bedeutet."
Żaklin Nastić, Obfrau im Verteidigungsausschuss der Linken, erklärte andererseits gegenüberdem RND, dass die Bundesregierung mit ihrem Handeln "ganz Europa einer völlig unkontrollierbaren Gefahr" aussetze, "die im schlimmsten Fall in einem Atomkrieg enden kann, wie auch Kanzler Scholz noch vor wenigen Tagen gewarnt hat".
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