Der Bundestag hatte im Infektionsschutzgesetz festgelegt, dass es eine "externe Evaluation" der Vorgaben im Rahmen der mehrere Monate lang geltenden epidemischen Lage von nationaler Tragweite geben soll. Dafür war ein Sachverständigenausschuss eingesetzt worden, der laut Gesetz bis zum 30. Juni einen Bericht vorlegen soll. Konkret sollen Auswirkungen der Regelungen wie etwa Schulschließungen, Maskenpflicht oder Verhängung von Lockdowns bewertet werden. Dem Gremium gehören Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen an.
Nun wurde bekannt, dass sich Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, aus dem Ausschuss zurückzieht. Zunächst hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Twitter mitgeteilt, dass Drosten die "Bundesregierung und den Bundestag bei der Auswertung des Infektionsschutzgesetzes nicht mehr begleiten wird".
Wenig später bestätigte auch eine Charité-Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass der Virologe dem Ausschuss seinen Rückzug mitgeteilt hat. Er sei zu der Überzeugung gelangt, dass Ausstattung und Zusammensetzung nicht ausreichten, um eine wissenschaftlich hochwertige Evaluierung gewährleisten zu können.
Darüber hinaus seien in den vergangenen Wochen wiederholt und in umfangreicher Form Inhalte der Beratungen zum Gegenstand einer irreführenden und falschen Berichterstattung geworden. Sie fügte hinzu:
"Dies steht aus Sicht von Prof. Drosten einer konstruktiven, zielgerichteten Zusammenarbeit im Gremium entgegen."
Schließlich seien die Mitglieder an strikte Vertraulichkeit gebunden. Gesundheitsminister Lauterbach bedauerte in seinem Tweet das Ausscheiden von Drosten aus dem Gremium mit den Worten:
"Das ist ein schwerer Verlust, weil niemand könnte es besser."
Die Charité-Sprecherin erklärte jedoch, dass Drosten weiterhin Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung bleibe. Das Gremium ist beim Kanzleramt angesiedelt und legte bereits mehrere Empfehlungen für die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie vor.
Drosten, der inzwischen wohl der bekannteste Virologe Deutschlands ist, hatte bereits im vergangenen Monat angekündigt, dass er auch nicht mehr beim öffentlich-rechtlichen Radiosender NDR-Info am Podcast "Das Coronavirus-Update" weiter teilnehmen wolle. Demnach wolle er wieder mehr auf die Forschung konzentrieren. In den vergangenen zwei Jahren wurden mehr als 100 Folgen des Podcasts ausgestrahlt. Neben Drosten nahm auch Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main teil. Mit dem Format soll es zunächst auch ohne die zwei Wissenschaftler weitergehen. Laut NDR seien als nächstes Sonderfolgen geplant.
Laut einem Bericht der Bild könnte Drostens nun verkündeter Rückzug aus dem Ausschuss zur Bewertung der Corona-Maßnahmen mit FDP-Politiker Wolfgang Kubicki in Verbindung stehen. Demnach habe Kubicki eine Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gestellt, in der der Bundestags-Vizepräsident demnach wissen wollte, inwieweit die "Sachverständigen für die Evaluation nach § 5 Abs. 9 IfSG über die im Gesetz genannte Anforderung hinsichtlich Unabhängigkeit" verfügten und inwieweit die Evaluation extern sei, "wenn diese Sachverständigen beim Erlass von den zu evaluierenden Maßnahmen beteiligt waren". Gegenüber dem Springer-Blatt erklärte Kubicki auf Drostens Rückzug angesprochen:
"Dass Christian Drosten, der der Bundesregierung wie kein zweiter als Experte zur Verfügung gestanden hat und auf dessen Anraten diverse Maßnahmen eingeleitet wurden, kurz darauf aus dem Expertengremium zurückgetreten ist, ist sicherlich nur ein dummer Zufall."
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