Frau Klein, können Sie uns zunächst etwas über den Hintergrund und die Aktivitäten der Deutschen Friedensgesellschaft berichten?
Die DFG wurde im Jahr 1892 von Bertha von Suttner und Alfred Herrmann Fried gegründet.
Die spätere Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner prägte auch den bekannten Friedensappell "Nie wieder Krieg!" Damit wird die radikal pazifistische Haltung der DFG zum Ausdruck gebracht, die aus humanistischen Gründen grundsätzlich gegen jede Art von Krieg ist. Aus der Perspektive der DFG bedeutet "Nie wieder Krieg" aber auch, dass die Kriegsursachen untersucht und beseitigt werden müssen. Das werde ich hinsichtlich der Ursachen des Ukrainekriegs später noch erläutern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die DFG gegen die Wiederbewaffnung, Aufrüstung, Rüstungsindustrie und Waffenexporte der Bundesrepublik eingesetzt – und gestaltete die Ostermarschbewegung mit. 1974 schloss sich die DFG mit dem Verband der Vereinigten Kriegsdienstgegner zusammen, der sich 1958 aus Vorläuferorganisationen Kriegsdienstverweigerer gegründet hatte. Der neue Verband heißt seit dieser Zeit DFG-VK und verbindet radikale Kriegsdienstgegnerschaft mit politischem Pazifismus.
Ich bin Mitglied in der Ortsgruppe Köln. Wir beteiligen uns regelmäßig am Protest gegen den jährlichen großen Soldatengottesdienst im Kölner Dom. Laut ihren Statuten soll die DFG-VK sich auch für die Schaffung eines dem Frieden förderlichen sozialen Klimas einsetzen. Deshalb setzt sich unser Ortsverband aktuell für die Aufrechterhaltung der Städtepartnerschaft Köln – Wolgograd ein. Der Austausch der russischen und deutschen Zivilgesellschaft als Brücke zur Völkerverständigung soll auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten werden.
Wie kam es dazu, dass Sie sich in der DFG engagiert haben – worin besteht Ihre persönliche Motivation?
Bereits als junge Frau habe ich in meiner Kleinstadt miterlebt, wie junge Männer, die in den 1970er Jahren den Wehrdienst verweigern wollten, von der DFG beraten und unterstützt wurden. In der Zeit gab es in Deutschland die Wehrpflicht für alle Männer ab 18 Jahren und in den Siebzigern war es noch schwer, den Kriegsdienst erfolgreich zu verweigern.
Aktives Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft wurde ich erst später, als ich bereits viele Jahre praktizierende Buddhistin war. Zur buddhistischen Praxis und Lebensführung gehört es, sich selbst darin zu befähigen, friedlich zu leben und Feindbilder zu überwinden. Vor ein paar Jahren schloss sich die buddhistische Laienorganisation Soka Gakkai, der ich angehöre, der ICAN an – International Campaign to Abolish Nuclear Weapons. Unter dem Dach der ICAN sind neben unterschiedlichen Friedensorganisationen auch spirituelle Gemeinschaften verbündet. 2017 gelang es der ICAN, den Atomwaffenverbotsvertrag in der UNO zu etablieren. Dafür erhielt sie noch im Jahr 2017 den Friedensnobelpreis.
Im Januar 2021 trat der Vertrag in Kraft, nachdem 50 Länder ihn ratifiziert hatten. Aber die Atommächte und ihre Verbündeten haben ihn bisher nicht unterschrieben.
In diesem Kontext bin ich erneut zur DFG gestoßen. Sie hat wiederholt die Bundesregierung aufgefordert, den Vertrag zu ratifizieren. Motiviert wurde mein Beitritt in die DFG vor allem durch ihr Engagement gegen die nukleare Teilhabe Deutschlands.
Können Sie erläutern, was "nukleare Teilhabe" bedeutet?
Mit diesem Terminus wird ein Abschreckungskonzept bezeichnet. In einigen NATO-Ländern wurden US-amerikanische Atombomben stationiert – diese Länder sind von der nuklearen Teilhabe betroffen.
Ein Großteil der deutschen Abgeordneten wollte 2010 die nukleare Teilhabe Deutschlands aufkündigen. Bei der diesbezüglichen Abstimmung haben sie sogar mehrheitlich dagegen gestimmt, aber diese Entscheidung wurde nie umgesetzt.
Kommen wir auf den aktuellen Krieg in der Ukraine zu sprechen. Wie ist Ihre Haltung dazu und wie bewerten Sie das Geschehen unter Berücksichtigung der Grundprinzipien der DFG?
Grundsätzlich ist die DFG eine pazifistische Organisation mit dem klaren Motto "Frieden schaffen ohne Waffen", die jegliche kriegerische Auseinandersetzung ablehnt. Darin bestand das Hauptanliegen der Gründerin Bertha von Suttner. Im Falle eines Konflikts muss so lange verhandelt werden, bis eine Lösung gefunden wird.
Gleichzeitig gilt es aber als entscheidend, Kriegsursachen auf den Grund zu gehen und zu beseitigen. Dabei müssen zum einen die Ursachen, die in der Vergangenheit gesetzt wurden, identifiziert und bearbeitet werden, und zum anderen muss politisches Handeln kontinuierlich dahingehend evaluiert werden, ob damit keine Ursachen für zukünftige Kriege gesetzt werden.
Bei der Ursachenforschung im Ukrainekrieg muss also beleuchtet werden, wie es dazu kommen konnte. Nach dem Ende des Kalten Kriegs gab es die große Chance auf Frieden und eine gerechte Neuordnung der Welt. Stattdessen haben politische Kräfte aus den USA und der NATO direkt danach die Einflusssphäre und die militärische Präsenz der NATO immer weiter nach Osten ausgedehnt. Russland wurde an seinen Außengrenzen immer mehr von NATO-Kräften umzingelt. In Folge musste sich Russland durch die starke Präsenz der NATO und die NATO-Militärbasen in den ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts immer mehr bedroht fühlen. Zuletzt wurde sogar vorgeschlagen, das Grenzland Ukraine in die NATO aufzunehmen. Noch kurz vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine wurde diskutiert, ob die ukrainische Armee entgegen aller Vereinbarungen mit Atomwaffen ausgestattet würde.
Man muss man sich fragen, wer alles mitverantwortlich ist für den Krieg in der Ukraine, und wer alles dazu beigetragen hat. Bevor man Russland einseitig dafür die Schuld gibt. Das verstehe ich unter Kriegsursachen untersuchen und bearbeiten.
Schon kurz nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine hat sich die Bundesregierung entschieden, die Ukraine mit Kriegsmaterial und Waffen zu beliefern und 100 Milliarden Euro für den Rüstungshaushalt freizugeben. Keiner kann bezweifeln, dass man mit Waffenlieferungen Kriege befördert.
Deshalb hat die sich DFG-VK auch sehr schnell dazu positioniert und folgende Forderungen aufgestellt:
Keine Waffenlieferungen in die Ukraine!
Keine Aufrüstung in Deutschland!
Keine Aufträge für die deutsche Rüstungsindustrie!
Bereits am 19. März hat sie eine große Friedensdemonstration gegen die Strategie der Bundesregierung in Köln mitorganisiert, wonach Aufrüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine zur Konfliktlösung beitragen würden.
Innerhalb der Friedensgesellschaft besteht ein breiter Konsens über die Kritik an der eskalierenden und emotional manipulierenden Kriegsberichterstattung in den Medien. Es werden nur Informationen verbreitet, die dem einseitigen Narrativ entsprechen. Die mediale Manipulation besteht darin, dass emotionale Bilder und Geschichten von verletzten Kindern und Müttern nur von einer beteiligten Seite gezeigt werden, um die Akzeptanz für Waffenlieferung an diese Kriegspartei zu vergrößern. Mit solchen Strategien wird das Eskalationspotential des Krieges zum Wohle der Rüstungsindustrie sogar noch befördert.
Frau Klein, möchten Sie noch über weitere Aspekte sprechen, die Ihnen in dieser Situation wichtig sind?
Ja, denn ein Zusammenhang gerät leicht aus dem Blickfeld. 1971 wurde in der UNO die internationale Biowaffenkonvention beschlossen, nach der die Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen verboten sind.
Heute gibt es aber durch die Gentechnik ganz andere Möglichkeiten als vor 50 Jahren. Aktuell wäre es möglich, dass Bioforschungslabore, die vorgeblich friedlich und zum Schutz der Bevölkerung vor potentiellen Biowaffenangriffen forschen, tatsächlich selber an Biowaffenforschung und -herstellung beteiligt sind. Aktuellstes Beispiel für diese Fragestellung ist die Existenz von ca. 30 Biowaffenlaboren, die von der russischen Armee in der Ukraine entdeckt wurden. Deren Vorhandensein und deren Finanzierung – teilweise durch das Pentagon – wurden seitens der USA auch zugegeben. Die Aktivitäten dieser Labore müssen dringend untersucht werden.
Schließlich wird die neuartige "Gain of Function"-Bioforschung, bei der Viren gentechnisch manipuliert werden, angesichts gefährlicher Bedrohungen durch weltweite Viruspandemien als notwendige Zivilforschung begründet. Allerdings gibt es auch die Vermutung, dass zum Beispiel das Coronavirus selbst gentechnisch manipuliert war und aus einem Biolabor stammt.
In jedem Fall muss kritisch bewertet werden, ob hier nicht unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes das Verbot über die Verwendung und den Einsatz von Biowaffen umgangen wird. Gentechnisch manipulierte Viren und andere Organismen können schließlich als Biowaffen fungieren, die äußerst schwierig nachzuweisen sind. Das Verbot über den Einsatz von biologischen und chemischen Waffen muss dringend überarbeitet und neu gefasst werden.
Das Interview führte Felicitas Rabe am 13.04.2022.
Mehr zum Thema - Thomas Röper über den Ukraine-Konflikt: "Der Westen will diesen Krieg um jeden Preis verlängern"