Die deutsche Wirtschaft hat sich von den Folgen der Corona-Krise noch nicht einmal erholt, da schlittert sie durch den Ukrainekrieg und die infolgedessen beschlossenen Sanktionen bereits in die nächste Krise. Da diesmal nicht nur die Lieferketten teilweise eingebrochen sind, sondern auch die Energiepreise steigen, spüren die Verbraucher dies deutlich. Die Bundesregierung sah sich bereits gezwungen, zwei Entlastungspakete zu schnüren. Und auch laut den Prognosen von Wirtschaftsforschern des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) ist die Lage ernst. So erklärte Stefan Kooths, Leiter des Instituts, am Mittwoch in Berlin:
"Die deutsche Wirtschaft steuert durch schwieriges Fahrwasser und durchläuft die höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten."
Im Frühjahrsgutachten wurden die Erwartungen deshalb drastisch nach unten korrigiert. Statt der erwarteten 4,8 Prozent Wachstum dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr maximal um 2,6 Prozent zulegen.
Die Wirtschaftsinstitute, darunter das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das ifo Institut, das Kiel Institut für Weltwirtschaft, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen, sind dabei sogar noch optimistischer als etwa die Wirtschaftsweisen. Diese haben für dieses Jahr lediglich ein Wachstum von 1,8 Prozent vorhergesagt.
Das nahende Ende der Corona-Krise habe zwar zunächst für eine Erholung der Wirtschaft gesorgt, doch dies wird durch den Ukrainekrieg und auch durch die damit verbundenen Sanktionen überlagert. Die unsichere Versorgung mit wichtigen Rohstoffen habe zu einem sprunghaften Preisanstieg geführt, die Sanktionen zu zusätzlichem Stress für die Lieferketten. Unternehmer zögern durch die unsichere Lage zudem mit Investitionen. Kooths mahnt jedoch an, dass allzu "opulente" Hilfen des Staates die Situation noch verschlimmern könnten.
"Auch die Hilfen für private Haushalte zum Abfedern hoher Energiepreise sollten die Politik nur sehr zielgerichtet dosieren."
Durch die Hilfen könne sich die Inflation weiter anheizen und Haushalten mit geringem Einkommen mehr schaden als nutzen. Die Ökonomen kritisieren deshalb die Hilfspakete der Ampel-Koalition mit Steuersenkungen und günstigem Verkehr für alle, da diese "darauf abzielen, Kaufkraft in der Breite der Bevölkerung zu stabilisieren". Doch bei den meisten mangle es nicht an Kaufkraft, da die privaten Haushalte in der Corona-Krise ein Polster von mehr als 200 Milliarden Euro angespart hätten, so die Auffassung der Ökonomen.
"Alles, was der Staat jetzt unternimmt, um in der Breite der Bevölkerung noch zusätzliche Kaufkraft in den privaten Sektor zu pumpen, würde eben hier die Inflation zusätzlich anfachen."
Darunter würden Haushalte mit geringem Einkommen leiden, die noch höhere Einkommen stemmen müssen. Daher sollten Hilfen aus Sicht der Forscher zielgenau auf einkommensschwache Haushalte beschränkt werden, der Staat könne nicht die Breite der Bevölkerung entlasten. Auch in der Wirtschaft benötige es zielgerichtete Unterstützung und nicht etwa eine breite Subventionierung von Energie. Sonst laufe der Bund Gefahr, Geschäftsmodelle am Leben zu erhalten, sie sich bei dauerhaft hohen Energiepreisen künftig einfach nicht mehr rechnen.
Anders sehe es aus, wenn Russland oder Deutschland die Energielieferungen sofort stoppen würde: In dem Fall stünden dieses und nächstes Jahr 220 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung "im Feuer", 6,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gingen verloren. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2022 dann nur noch um 1,9 Prozent steigen. Für das kommende Jahr sagen die Forscher einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,2 Prozent voraus. Die Inflationsrate dürfte dann mit einem Wert von 7,2 Prozent einen neuen Rekord erreichen. In diesem Fall würden Hilfsmaßnahmen wie erweitertes Kurzarbeitergeld und höher dosierte Überbrückungshilfen für Unternehmen und private Haushalte Sinn ergeben, denn die Folgen würden die Bundesrepublik noch Jahre beschäftigen. (rt de/dpa)
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