Die Deutschen sorgen sich um die Inflation und die Energieversorgung. Im März dieses Jahres antworteten in einer Repräsentativumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach laut der FAZ auf die Frage, was ihnen derzeit große Sorgen bereite, 71 Prozent, dass dies die Inflation sei. 62 Prozent gaben an, dass sie sich vor allem um die Energieversorgung sorgten. Weiterhin gaben sogar 86 Prozent an, sie fürchteten, dass es in den nächsten Jahren Schwierigkeiten bei der Energieversorgung geben werde. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte der Wert noch bei überschaubaren 26 Prozent gelegen.
Angst vor schlechter und unbezahlbarer Energieversorgung
Weniger die Mainstreammedien, sondern die Folge alltäglichen Umgangs mit der Krise befeuern diese hohen Werte – und unterscheiden sie so von anderen Krisen. Viele Deutsche spüren die Inflation ganz konkret bei vielen Produkten und Dienstleistungen und würden dadurch auch Verhaltensänderungen entwickeln, wie aus der Studie im Auftrag der FAZ hervorgeht. 68 Prozent gaben an, dass sie die Preise für das Heizen sehr stark oder stark belasten würden.
Dabei ist die Energiequelle weniger entscheidend. So gaben auch die Nutzer von Fernwärme zu 68 Prozent an, die Heizkosten würden sie sehr stark oder stark belasten, und diejenigen, die mit Holz oder Holzpellets heizen, zu 62 Prozent. Fast genauso hoch wird die Mehrbelastung durch die gestiegenen Benzinpreise empfunden. 61 Prozent der Autofahrer beziehungsweise knapp mehr als die Hälfte aller Befragten gaben an, dass sie die hohen Preise für Benzin und Diesel sehr stark oder stark belasteten.
Hier scheint allerdings schon eine Art Gewöhnung eingesetzt zu haben. Schon im September 2021, als der Benzinpreis rund 50 Cent, der für Diesel etwa 60 Cent unter dem derzeitigen Niveau lag, hatten bereits 47 Prozent und damit nur unwesentlich weniger Befragte als in der aktuellen Umfrage, geklagt, dass sie die Kraftstoffpreise sehr stark oder stark in Mitleidenschaft ziehen würden.
Besonders beim Einkauf lässt sich bereits ein verändertes Konsumverhalten der Verbraucher beobachten: So gaben 54 Prozent der Befragten an, wegen der in der letzten Zeit gestiegenen Preise beim Einkaufen mehr als früher auf den Preis zu schauen. 47 Prozent halten sich beim Heizen zurück und stellen zu Hause die Temperatur niedriger ein, als sie es früher getan hätten.
45 Prozent versuchten, allgemein weniger auszugeben und mehr als ein Drittel, nämlich 37 Prozent, fahren nach eigenen Angaben weniger Auto. Dass sie trotz der hohen Inflation ihr Konsumverhalten überhaupt nicht geändert hätten, sagten lediglich 17 Prozent der Befragten.
Das Ziel, die Energiepreise zu senken, sodass Strom, Benzin und Heizung möglichst wenig kosten, hielten im Spätsommer 2021 lediglich 54 Prozent für besonders wichtig, nun sind es 64 Prozent. Die Zustimmung zur Forderung, die erneuerbaren Energien möglichst zügig auszubauen, ist in der gleichen Zeit von 65 auf 77 Prozent gestiegen. Gleichzeitig nahm die Zahl derjenigen, die forderten, dass Deutschland möglichst schnell auf Kohle als Energiequelle verzichtet, aber auch von 34 auf 23 Prozent ab.
Auch ist eine vermeintliche "Klimagerechtigkeit" und "Nachhaltigkeit" nun nicht mehr so wichtig. Denn der Option, dass die Preise für diejenigen Energiearten höher sein sollten, die die Umwelt mehr in Anspruch nehmen, stimmten in der aktuellen Umfrage nur noch 21 Prozent der Befragten zu. 2021 waren es 26 Prozent, im Jahr 2014, als die Frage zum ersten Mal gestellt worden war, mehr als jeder Dritte, nämlich 39 Prozent. Dazu hat vor allem eine aktuelle Diskussion um die Folgen eines möglichen Öl- und Gasembargos gegenüber Russland beigetragen. So lautete eine weitere Frage:
"Deutschland hat sich ja zum Ziel gesetzt, bis spätestens zum Jahr 2050 seine komplette Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Glauben Sie, das kann gelingen, oder haben Sie da Zweifel?"
Obwohl mehr als drei Viertel der Deutschen den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien gutheißen, antworteten auf diese Frage lediglich 26 Prozent, sie glaubten, es werde möglich sein, die Versorgung bis zum Jahr 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Eine klare Mehrheit von 54 Prozent gab deutliche Zweifel an in der Frage, ob das realistisch erscheint.
Nun hat sich auch die Haltung zur Atomenergie geändert – obwohl die Angelegenheit seit dem Ausstiegsbeschluss im Jahr 2011 für die meisten vom Tisch war. Im März 2022, war der Anteil derjenigen, die sagten, man sollte die Kernkraftwerke über das Jahresende hinaus am Netz lassen, auf 57 Prozent gestiegen – im Vormonat waren es nur 35 Prozent. Nur ein Viertel befürworteten noch die pünktliche Abschaltung in den nächsten Jahren. Die FAZ resümiert daher:
"Es ist offensichtlich für eine Mehrheit der Deutschen nicht verständlich, warum man in der derzeitigen Krisensituation auf Kraftwerke, die unabhängig von russischem Öl und Gas funktionieren, verzichten soll."
Kein Energieembargo gegen Russland
Auch ein vollständiges Energieembargo gegenüber Russland sieht die Mehrheit im Lande skeptisch. In einer Frage wurden zwei Argumente gegeneinandergestellt. Das erste lautete: "Ich finde, Deutschland sollte den Kauf von Öl und Gas aus Russland sofort stoppen. Es kann nicht sein, dass Deutschland diese Rohstoffe aus Russland weiterhin bezieht und damit den russischen Staat und indirekt auch den Krieg gegen die Ukraine mitfinanziert."
Die andere Position war: "Natürlich ist es problematisch, dass Deutschland weiter Öl und Gas aus Russland bezieht. Allerdings können wir die Energieversorgung aus Russland kurzfristig nicht ersetzen, ohne dass es bei uns zu Engpässen oder zu weiteren Preissteigerungen kommt. Im Moment müssen wir also weiter Öl und Gas aus Russland kaufen."
Lediglich 30 Prozent entschieden sich daraufhin für die erste, 57 Prozent dagegen für die zweite Position. Die Sorge um die Stabilität der Energieversorgung und vermutlich nicht zuletzt die tägliche Erfahrung, dass sich der Krieg in der Ukraine auch bereits jetzt deutlich im eigenen Geldbeutel niederschlägt, bestärkt die Mehrheit, auch weiterhin Öl und Gas aus Russland zu importieren.
Das zeigt sich auch im Kontext einer Aussage des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der hatte im März in einer Fernseh-Talkshow die These vertreten, dass es den Bürgern in der gegenwärtigen Krise zugemutet werden könne, auf eigenen Wohlstand zu verzichten, wenn dies dem Ziel dient, den Krieg in der Ukraine einzudämmen. Die Argumentation brachte er mit folgendem Satz auf den Punkt:
"Wir können auch mal frieren für die Freiheit."
Doch die Deutschen sehen das ganz anders. Nicht einmal ein Viertel (24 Prozent) der Befragten stimmten dieser Aussage zu, 59 Prozent widersprachen.
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