Bereits im Jahr 2019 gab es in Deutschland "zum Teil frappierende Einkommensunterschiede", heißt es in einer am Mittwoch in Düsseldorf veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Anhand von Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder für 2019 und neu verfügbarer Daten zu regionalen Preisniveaus stellten die WSI-Experten Dr. Eric Seils und Dr. Toralf Pusch in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten enorme Einkommensgefälle fest. Dabei liegen die Stadt Heilbronn mit 42.275 Euro und der Landkreis Starnberg mit 38.509 Euro im oberen Bereich, während das Pro-Kopf-Einkommen in den Ruhrgebietsstädten Gelsenkirchen und Duisburg mit 17.015 Euro beziehungsweise 17.741 Euro am niedrigsten und nicht einmal halb so hoch wie in den Spitzenreiter-Gebieten war.
Zwischen West und Ost gibt es weiterhin ein deutliches Einkommensgefälle, von dem nur der Landkreis Potsdam-Mittelmark abweicht. Es ist der einzige Kreis der neuen Bundesländer, in dem das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen mit 24.127 Euro den Durchschnitt für die Bundesrepublik in Höhe von 23.706 Euro überschreitet. Gleichzeitig bleibt in den alten Bundesländern weiterhin ein Süd-Nord-Gefälle bestehen, in dem vor allem Bayern und Baden-Württemberg mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von etwa 2.600 Euro höher als im übrigen Westdeutschland hervorstechen.
Laut den WSI-Experten leistete die bestehende Umverteilung durch Steuern, Sozialabgaben und Transferzahlungen einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland regional nicht noch stärker auseinandergehen. Staatliche Abgaben und Transfers, wie zum Beispiel Kindergeld, Arbeitslosengeld oder Rentenzahlungen, gleichen die Einkommen insgesamt einander an. "Vor allem die staatliche Umverteilung korrigiert die Verteilung der realen verfügbaren Einkommen zwischen den Regionen in beachtlichem Umfang", erklärt WSI-Experte Seils.
Allerdings bleibe insbesondere in der personellen Einkommensverteilung eine beträchtliche Ungleichheit bestehen. Die vermeintlich regional hohen Einkommen – etwa in Heilbronn und im Landkreis Starnberg – sind auf die extrem hohen Einkommen weniger Haushalte zurückzuführen. "Was hier als regionale Ungleichheit erscheint, hat also in Wirklichkeit auch mit sehr hohen Einkommen einzelner Personen zu tun", analysiert Seils.
Da aus den staatlichen Abgaben nicht nur Transfers, sondern auch öffentliche Dienstleistungen finanziert werden, weist die Statistik in den allermeisten Städten und Kreisen einen negativen Umverteilungs-Saldo aus. "Die privaten Haushalte verlieren aber nichts. Sie erhalten ihre Steuern und Abgaben in Form von staatlichen Leistungen zurück", erläutert Seils. Das sei beispielsweise die öffentliche Infrastruktur, Bildung, Polizei oder soziale Sachleistungen.
Neben den staatlichen Transfers von Vermögen tragen der Studie zufolge auch die regional unterschiedlich hohen Preisniveaus ein Stück weit zu einer gewissen Angleichung der Einkommen bei, da in Regionen mit hohem Einkommen tendenziell auch Mieten und sonstige Preise höher liegen. "Die Leute haben dann zwar mehr Geld im Portemonnaie, können sich aber nicht in gleichem Maße mehr leisten", erklärt WSI-Wissenschaftler Pusch. Allerdings ist der Effekt regional unterschiedlicher Preisniveaus weitaus kleiner als die Umverteilungswirkung durch das staatliche Transfer-System. Trotz des Transfers bleibt den Wissenschaftlern zufolge jedoch insbesondere in der personellen Einkommensverteilung eine beträchtliche Ungleichheit bestehen.
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