Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verkündete kurz nach seinem Amtsantritt einen "erschreckenden" Impfstoffmangel – und bestellte fleißig nach. Doch nun räumt das Bundesgesundheitsministerium gegenüber der Welt am Sonntag mit, man gehe davon aus, dass der Impfstoff "in nicht wenigen Fällen" vernichtet werden müsse. Begründet wird dies vom Ministerium damit, dass "die Impfstoffe weiterhin nur in Mehrdosenbehältnissen verfügbar sind, die bei Anbruch gemäß Zulassung nur wenige Stunden haltbar sind". Bei der derzeitigen Geschwindigkeit der Impfkampagne sei nicht davon auszugehen, dass sich ausreichend Impfwillige finden, um die verfügbaren Dosen in Gänze aufzubrauchen.
Ein weiteres Problem ist aber zweifellos, dass ein großer Teil der gelagerten Impfstoffe demnächst das Verfallsdatum erreicht. Derzeit hat der Bund rund 77 Millionen Impfstoffdosen auf Lager. Noch am 21. März habe diese Zahl bei 70 Millionen gelegen, wie es in einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der Union hieß. Die Unionsparteien kritisieren jedoch die weiteren Einkäufe, weil der Bedarf stark zurückgegangen ist. Derzeit werden in der Bundesrepublik durchschnittlich pro Tag 34.000 Vakzindosen verimpft.
Von den eingelagerten Impfstoffvorräten werden der Regierungsantwort zufolge 11 Millionen Dosen bis Ende Juni ihr Verfallsdatum erreichen, im dritten Quartal werden dann weitere 57 Millionen "abgelaufen" sein. Der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge kritisierte deswegen in der Welt am Sonntag Lauterbachs "Einkaufsrausch":
"Der Minister kennt bei den Impfstoffbestellungen keine Grenzen mehr. Er ordert, was immer da ist – der tatsächliche Bedarf und die Kosten spielen für ihn keinerlei Rolle mehr."
Das Gesundheitsministerium setzt sich nun nach eignen Angaben dafür ein, die Haltbarkeitsdauer der bereits ausgelieferten Impfstoffe zu "verlängern", sofern verfügbare Daten der Pharmakonzerne über die Stabilität dies rechtfertigen könnten. Dadurch habe die Haltbarkeit des Impfstoffs der Firma BioNTech/Pfizer bereits von sechs Monaten auf neun Monate gestreckt werden können, eine weitere Verlängerung sei geplant. Auch die Firma Moderna hat die Haltbarkeit ihres Vakzins von sieben auf neun Monate verlängert. Das Unternehmen sei bereits aufgefordert worden, Daten für eine weitere Verlängerung vorzulegen. Außerdem prüfe man laufend Möglichkeiten, Impfstoffe zu spenden.
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