Aufgrund steigender Rohstoffpreise verteuern sich in Deutschland ab dem heutigen Montag auch viele Lebensmittel. In der vergangenen Woche hatten Handelsketten wie Aldi, Lidl, Rewe sowie Globus und Edeka angekündigt, die Endverbraucher-Preise weiter hochzuschrauben. Besonders Produkte, die von der Agrarwirtschaft abhängig sind, darunter Butter, Wurst und Fleisch, würden demnach "deutlich teurer", bestätigte Aldi-Nord-Kommunikationschef Florian Scholbeck.
"Seit Beginn des Ukraine-Kriegs gibt es Sprünge bei den Einkaufspreisen, die wir so noch nicht erlebt haben", so Scholbeck weiter. Dies liege auch daran, dass Futter- und Düngemittel sowie Energieträger teurer wurden. Das wiederum hätten die Landwirte mit Viehhaltung und die fleischverarbeitende Industrie zu spüren bekommen, begründete er die angekündigten Preiserhöhungen, für die vor allem die bereits zuvor schon hohen Energiekosten und der Ukraine-Krieg verantwortlich seien.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen warnte der Handelsverband Deutschland (HDE) nun vor Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich wegen des Ukraine-Krieges: "Die zweite Welle an Preissteigerungen kommt, und die wird sicherlich zweistellig", warnte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung am Freitag.
Bereits vor zwei Wochen hatte Aldi die Preise für etwa 160 Produkte erhöht. Eine Woche später zog der Discounter noch einmal nach und hob die Preise für weitere 20 Artikel an. Andere Handelsketten folgten umgehend. Wegen der Situation auf den Weltmärkten ließen "sich steigende Verkaufspreise in der gesamten Branche nicht immer vermeiden", teilte Edeka vergangene Woche mit. Laut neuesten Umfragen des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung würden nahezu alle deutschen Nahrungs- und Einzelhandelsunternehmen Preiserhöhungen planen.
Die Preissteigerungen in den vergangen Wochen sowie die unsichere Weltlage trieben zudem Endverbraucher weltweit dazu, Produkte auf Vorrat einzulagern. In den Sozialen Medien machten immer wieder Fotos von leeren Regalen die Runde. Insbesondere Mehl und Öl wurden vermehrt gekauft, weshalb manche Supermärkte die Abgabe solcher Produkte auf "handelsübliche Mengen" rationieren.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband beobachtet die aktuelle Entwicklung mit Sorge. Die Preiserhöhungen würden vor allem Menschen treffen, die Hartz IV bezögen oder in der Altersgrundsicherung seien, erklärte der Geschäftführer des Verbands Ulrich Schneider gegenüber dem WDR:
"Man muss sich vorstellen, die haben als Single pro Tag nur fünf Euro zur Verfügung für Ernährung, für alles: Getränke, Essen. Oder ein Kind hat gerade mal drei Euro zur Verfügung für Ernährung den ganzen Tag."
In Anbetracht dessen fordert der Sozialverband VdK von der Bundesregierung nun ein "Entlastungspaket, das auch an die Rentner denkt" und nicht nur an Erwerbstätige und Grundsicherungsempfänger. Im Gespräch mit dem WDR beklagte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Freitag, dass sie die von der Bundesregierung angekündigten Preissenkungen für Kraftstoffe zur Entlastung der Bürger für "völlig falsch" halte. Bentele zufolge gebe es durchaus bessere Möglichkeiten, wie etwa eine Senkung der "Mehrwertsteuer auf Arzneimittel sowie frisches Obst und Gemüse". Zudem forderte Bentele die Sozialbehörden auf, Wohngeldempfängern "die echten Energiekosten" zu erstatten "und nicht nur wie im Moment ein Teil davon".
Nach Meinung des Deutschen Bauernverbands sei der Preisanstieg bei Lebensmitteln längst überfällig. Die Entscheidung der Einzelhändler und Lebensmittelketten, die Preise deutlich anzuziehen wäre ein "notwendiger und folgerichtiger Schritt". Jedoch sei es wichtig, dass dieses Geld auch bei den landwirtschaftlichen Betrieben ankomme, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Mit Blick auf die Lebensmittelkrise versicherte er, die Versorgung mit Lebensmitteln sei für das kommende Jahr zwar gesichert:
"Aber über diesen Zeithorizont hinaus ist es schwierig mit einer Prognose."
Erst vergangene Woche hatte das Ifo-Institut eine derzeitige Inflation von 7,5 Prozent verkündet. Verantwortlich hierfür seien dem Bericht des ifo Instiuts für Wirtschaftsforschung zufolge vor allem der extrem starke Anstieg der Energiepreise, die sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 44,7 Prozent verteuerten. Lebensmittel waren im März fünf Prozent teurer als noch vor einem Jahr.
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