"Irreparable Schäden drohen" – Gewerkschaften lehnen Energieembargo gegen Russland ab

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnen vor einem Energieembargo gegen Russland. Die Folgen eines derartigen Embargos würden die deutsche Industrie "hart treffen", so die Gewerkschaften.

Führende deutsche Gewerkschaften sprechen sich gegen ein Energieembargo im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg aus. Deutsche Industriezweige wie die Stahl-, Chemie- und Papierindustrie würden innerhalb weniger Wochen stillstehen, sollte das Land beschließen, die Energieimporte aus Russland zu unterbinden, erklärten die größten Industriegewerkschaften des Landes am Dienstag.

"Explodierende Energiepreise, vor allem aber ein mögliches Gasembargo, würden die energieintensive Industrie – die Mutter des industriellen Netzwerks – hart treffen", sagte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der deutschen Chemiegewerkschaft IG BCE, in einer Erklärung.

"Die Folgen wären nicht nur Kurzarbeit und Arbeitsplatzverluste, sondern auch der schnelle Zusammenbruch der industriellen Produktionsketten in Europa – mit weltweiten Folgen."

Vassiliadis warnte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin mit führenden Vertretern anderer großer deutscher Industriegewerkschaften, darunter die IG Metall und die IG Bau, vor den Folgen möglicher Energiesanktionen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat Russland im Januar, dem letzten vollen Monat vor Kriegsbeginn, rund drei Milliarden Euro mit Energieexporten nach Deutschland verdient. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, Deutschland könne seine Abhängigkeit von russischer Kohle und russischem Öl bis Ende 2022 verringern. Habeck plant den Bau von mindestens zwei LNG-Terminals an der Nordseeküste, um die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas zu verringern.

Auch DGB spricht sich gegen Energieembargo aus

Die größte Dachorganisation von Einzelgewerkschaften in Deutschland, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), warnt ebenfalls vor einer Destabilisierung in Deutschland, sollten russische Energieimporte gestoppt werden. DGB-Vorstand Stefan Körzell sagte der Rheinischen Post am Mittwoch:

"Es ist zweifelhaft, dass ein Embargo unmittelbare Auswirkungen auf den Kriegsverlauf hat und dem Ziel dient, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu beenden."

Demgegenüber hätte ein Importstopp gravierende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen, sagte der Gewerkschaftsvertreter:

"Es drohen irreparable Schäden an den industriellen Wertschöpfungsketten und ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit."

Eine derartige Destabilisierung würde aus Sicht von Körzell weit über Deutschland hinaus zu einer schweren Hypothek für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Europas werden und den Spielraum von humanitären und friedenssichernden Maßnahmen unnötig einengen.

Auch der Außenhandelsverband BGA geht von erheblichen Verwerfungen bei einem sofortigen Ende russischer Gaslieferungen aus. Weite Teile der Industrie seien auf Gas angewiesen, insbesondere die Chemie- und die Nahrungsmittelindustrie. BGA-Präsident Dirk Jandura sagte:

"Ein Lieferstopp über Nacht kann nicht kurzfristig kompensiert werden und hätte auch erhebliche Auswirkungen für alle Haushalte in Deutschland."

Die Bundesregierung lehnt ein Embargo ab. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte mehrfach deutlich gemacht, dass aus Sicht der Regierung in einem solchen Fall ganze Industriezweige in Deutschland bedroht seien. Auch Ökonomen hatten zuletzt darauf verwiesen, dass ein Stopp russischer Energielieferungen die deutsche Wirtschaftsleistung mittelfristig um bis zu drei Prozent einbrechen lassen würde.

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(rt de/dpa)