Die Folgen der Sanktionen gegen Russland treffen auch deutsche Unternehmen hart. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) will nun darauf reagieren und wandte sich in einem Bittbrief, der dem Handelsblatt vorliegt, an Finanzminister Christian Lindner (FDP), in dem er vorschlug, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aus der Corona-Krise umzuwidmen.
Der Bund hatte den Fonds während der Corona-Krise aufgelegt und mit 600 Milliarden Euro ausgestattet. Im Laufe der Zeit war das Volumen auf 150 Milliarden Euro reduziert worden. Mit dem Geld ist es dem Staat möglich, sich direkt an Unternehmen, die von der Krise betroffen sind, zu beteiligen. Eines der bekanntestes Beispiele ist die Beteiligung des Staates an der Lufthansa während der Corona-Krise. Auch Kredite können durch den WSF abgesichert werden. Im Schreiben fordert Habeck Lindner nun dazu auf, "möglichst zeitnah einen Entwurf für eine entsprechende Anpassung" des Fonds vorzulegen. Habeck will den Fonds nicht nur für die deutsche Energiewirtschaft öffnen, dieser soll generell "zur Stabilisierung volkswirtschaftlich relevanter Unternehmen" beitragen. Der WSF würde Ende Juni auslaufen, weshalb Habeck fordert, die Begrenzung auszuheben.
Laut Handelsblatt ist Lindner jedoch nicht von Habecks Vorschlag überzeugt. Weiterhin kann Berlin den Fonds nur umwidmen, wenn dies auf EU-Ebene genehmigt wird. Normalerweise lässt das europäische Beihilferecht Staatshilfen in dieser Höhe nicht zu, weshalb die EU-Kommission das Recht schon während der Corona-Krise lockerte. Doch eine Umwidmung des WSF wäre nach aktuellem Plan der EU-Kommission nicht erlaubt. Habeck plädiert deshalb dafür, dass sich die Bundesregierung für eine umfassende Lockerung des EU-Beihilferechts einsetzt. Lindner, der 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr bereitstellen muss und außerdem ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten will, lehnt dies laut einem Bericht des Handelsblatts jedoch ab.
Habecks bisherige Unterstützung der deutschen Wirtschaft besteht bisher lediglich aus einem Kreditprogramm der KfW-Förderbank für kleine und mittlere Unternehmen. Im Schreiben an das Finanzministerium heißt es jedoch:
"Staatliche Kredite oder Garantien werden nicht in allen Fällen ausreichen, um die Unternehmen zu stabilisieren."
Wie es laut Handelsblatt am Montag in Regierungskreisen hieß, soll das Finanzministerium weiterhin nicht viel von der WSF-Umverteilung halten und plädiert stattdessen dafür, bestehende Probleme mit Kreditprogrammen zu lösen. Mehr Staatsbeteiligung sei nicht notwendig.
Besonders die Energiewirtschaft leidet unter der aktuellen Lage mit Sanktionen und hohen Preisen für Öl, Gas und Kohle. So hat der Energiekonzern VNG bei der Bundesregierung bereits ein KfW-Darlehen in Milliardenhöhe beantragt. Aber auch energieintensive Industrieunternehmen aus den Branchen Metall, Glas, Papier und Chemie sind zum Teil mit einer Vervielfachung ihrer Rechnungen für Strom und Gas konfrontiert. In einigen Branchen werden zahlreiche Insolvenzen befürchtet.
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