Der Virologe Christian Drosten hat in einem am Mittwoch erschienenen Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit angekündigt, dass Corona-Maßnahmen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens die Deutschen noch eine lange Zeit begleiten werden. Er spricht dabei ausdrücklich von Jahren, in denen jeden Herbst Maßnahmen gegen das Coronavirus notwendig sein würden. Grund sei die nach Auffassung Drostens fehlende Herdenimmunität:
"So viele Infektionen, wie man für eine Gemeinschaftsimmunität wie bei Influenza braucht, kann man in einem Sommer gar nicht haben. (...) Das wird Jahre dauern, darum wird man auch noch jahrelang mit relativ milden Maßnahmen im Herbst und Winter die Inzidenzen kontrollieren müssen.”
Selbst im Sommer hält Drosten eine Kontrolle des Infektionsgeschehens durch "milde Maßnahmen" für erforderlich. Als "milde Maßnahmen" sieht er unter anderem das Tragen von Masken in geschlossenen Räumen, für nötig hält er auch Auffrischungsimpfungen für Risikogruppen. Nur "die jungen, dreifach Geimpften" sollen sich, wenn es nach Drosten geht, im Sommer wieder frei bewegen können. Sie würden, wenn sie sich infizieren, Immunität "auch für die Gemeinschaft" aufbauen. Das sei jedoch – das gibt der Virologe selbst zu – keine Durchseuchungsstrategie.
Weil auf diesem Wege keine Herdenimmunität aufgebaut werden könne, sieht Drosten für den kommenden Winter gar die Notwendigkeit eines "harten Eingreifens":
"Im Winter müssen wir sehr wahrscheinlich noch einmal härter eingreifen. Corona ist eben keine Grippe."
Welcher Impfstoff im Herbst für Auffrischungsimpfungen gebraucht werde, könne man noch nicht sagen. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass es sich bei der nächsten Variante um eine Fortentwicklung von Omikron handeln werde und man dann die Impfstoffe "nur ein wenig anpassen" müsse. Es könnten auch die Nachfolger der "schon fast vergessenen Alpha- oder Delta-Varianten" das Infektionsgeschehen bestimmen. Drosten dazu:
"Wir können nicht einfach nur auf die Immunisierung gegen Omikron setzen. Es kann sogar sein, dass wir uns damit einen Bärendienst erweisen, weil das Virus in eine andere Richtung mutiert."
Eine Ursache für das Auftreten von Pandemien sieht der Berliner Virologe in der Massentierhaltung und dem darauf basierenden Fleischkonsum. Nach seiner Auffassung habe die Wissenschaft während der Corona-Krise gut agiert, während er der Politik, den Medien und der Gesellschaft Versagen vorwirft. Drosten erklärte:
"Letztendlich war die Wissenschaft doch recht erfolgreich in ihrer Reaktion auf die Pandemie. Das große Versagen hat eher auf medialer, gesellschaftlicher und politischer Ebene stattgefunden."
Nach den neuesten Daten des Robert Koch-Instituts sollen in den letzten sieben Tagen 1,4 Millionen neuer Fälle von Corona-Infektionen gemeldet worden sein. Die kumulative Fallzahl positiver Tests seit Beginn der Krise vor etwas mehr als zwei Jahren liegt in Deutschland bei über 19 Millionen. 127.000 Todesfälle werden offiziell in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion in Verbindung gebracht.
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