Am Freitag hatte der Deutsche Bundestag der jüngsten Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt. Auch der Bundesrat ließ das Gesetz nur wenig später passieren. Die bisherige Rechtsgrundlage für die meisten Corona-Maßnahmen lief damit am 19. März aus.
Trotz offiziell hoher Fallzahlen fallen die ersten Corona-Regeln weg. Spätestens Anfang April sollen die allermeisten diesbezüglichen Vorordnungen der Bundesländer bundesweit passé sein. Mehrere Bundesländer hatten entschieden, mit umfangreichen Lockerungen bis spätestens 2. April noch zu warten – wie etwa mit der Aufhebung der Maskenpflicht in den Schulen, Geschäften oder Innenräumen.
Schon ab Sonntag braucht man aber für das Zugfahren mit der Deutschen Bahn keinen 3G-Nachweis mehr – also geimpft, genesen oder auf das Coronavirus (negativ) getestet zu sein. Die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr gilt jedoch weiterhin. Auch beim Reisen mit dem Flugzeug bleibt der Mund-Nasen-Schutz obligatorisch.
Bei Veranstaltungen wiederum gelten besucherzahlenmäßig keine Obergrenzen mehr, Kontaktbeschränkungen sowie die Homeoffice-Pflicht und die 3G-Regel am Arbeitsplatz sind aufgehoben. Spätestens Anfang April soll dann bundesweit die Maskenpflicht in den Schulen sowie im Einzelhandel wegfallen.
Die Testpflicht an den Schulen soll dennoch auch weiterhin bestehen bleiben. Das Tragen einer FFP2-Maske oder einer medizinischen Maske bleibt in Einrichtungen für "gesundheitlich gefährdete Menschen" wie etwa in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen weiterhin obligatorisch. Auch in Gemeinschaftseinrichtungen – etwa für Asylbewerber – soll die Regel ebenfalls weiterhin gelten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die Neuregelungen nach scharfer Kritik aus einigen Bundesländern. Am Sonntag sagte der SPD-Politiker in der ARD:
"Wir können nicht immer weiter die Freiheitsrechte der gesamten Bevölkerung begrenzen, nur weil zehn Prozent der Über-60-Jährigen nicht impfbereit sind."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte: "Zwei Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns kehren wir jetzt zur Normalität zurück." Die Zahl der neuen nachgewiesenen Infektionen sei zwar hoch. Glücklicherweise drohe aber keine Überlastung des Gesundheitssystems. Damit entfalle die Grundlage für staatliche Freiheitsbeschränkungen.
In einem am Montag erschienenen Interview mit dem Tagesspiegel verteidigte sich Lauterbach gegen die Kritik, gerade in einer "gefährlichen Phase der Pandemie" die Lockerungen der Corona-Maßnahmen vorzunehmen und sich "von der FDP über den Tisch ziehen" zu lassen. Laut dem SPD-Politiker könnten "fast alle Corona-Schutzmaßnahmen" dort fortgeführt werden, wo die Gesundheitsversorgung gefährdet sei. Außerdem verwies er darauf, dass es die Beschlusslage von Bund und Ländern gewesen sei, die Corona-Regeln zurückzufahren. Dabei betonte Lauterbach:
"Ohne das von mir vorgelegte Gesetz wären somit am heutigen Montag alle Corona-Maßnahmen, die wir haben, komplett ausgelaufen. Es hätte überhaupt keine Masken-, keine Abstands-, keine Hygieneregeln mehr gegeben."
Auf die Frage, ob es tatsächlich "der richtige Zeitpunkt" sei, um Maskenpflicht und Kontrollen abzuschaffen, antwortete Lauterbach, dass ohne das Gesetz die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes "komplett" weggefallen wäre. Jetzt entfalle sie nicht, "weil die allermeisten Länder die Übergangszeit bis zum 2. April nutzen". Lauterbach führte an:
"Und für die Zeit danach haben sie die Möglichkeit, neue Regeln auf der Grundlage des neuen Infektionsschutzgesetzes zu wählen. Somit ist es genau umgekehrt, wie es nach außen wirkt: Durch das Infektionsschutzgesetz wurde die Maskenpflicht gerettet."
Natürlich sei es aus medizinischer Sicht "traurig und bitter, wenn Menschen schwer erkranken oder sterben", so Lauterbach weiter, und er versuche, dies zu verhindern, wo er könne. Dennoch habe dies "aber auch rechtliche Grenzen". Der SPD-Politiker betonte gegenüber dem Tagesspiegel:
"Da sich die Menschen in der Omikron-Welle durch Masken und inzwischen auch durch Impfungen selber schützen können, darf man die Freiheit anderer nicht mehr so stark einschränken wie zuvor."
Freiheitsbeschränkungen seien nur möglich, wenn sich die Gesundheit Dritter nicht anders schützen lasse oder wenn das Gesundheitssystem in Gänze gefährdet wäre, so Lauterbach. Das sei bundesweit "derzeit nicht der Fall".
Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung die Maskenpflicht, wie auch der als Maßnahmenkritiker bekannte Finanzwissenschaftler Stefan Homburg in einem Tweet vom Sonntag resigniert feststellte.
Laut dem neuen Infektionsschutzgesetz können in den sogenannten Hotspots, in denen "die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht", erneut schärfere Maßnahmen verhängt werden. Dies ist der Fall, wenn etwa die Zahl neuer Corona-Fälle stark steigt und zugleich eine Überlastung der Krankenhäuser droht. Dies muss jedoch durch das jeweilige Landesparlament per Beschluss festgestellt werden. Demnach kann sich ein sogenannter Hotspot auf einen Stadtteil beschränken, aber auch ein ganzes Bundesland umfassen. Als mögliche Restriktionen sind laut Gesetz die Wiedereinführung einer weitgehenden Maskenpflicht oder etwa des Abstandsgebots von 1,50 Metern in den Innenräumen vorgesehen. Auch die sogenannte 3G-Nachweispflicht könnte wieder für eine bestimmte Zeit gelten.
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