Wegen "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" stellte der bekannte Hamburger Anwalt Gerhard Strate am 15. Februar 2022 bei der Hamburger Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Bundeskanzler Olaf Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher. Strate warf in seinem Antrag dem Bundeskanzler zudem den Tatbestand "falscher uneidlicher Aussage" vor.
In einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft heißt es nun, dass im "Hinblick auf die von der Anwaltskanzlei Strate eingereichte Anzeige" gemäß der gültigen Strafprozessordnung davon "abgesehen wird, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten".
Am 12. März 2021 hatte zudem der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) "Cum-Ex-Steuergeldaffäre" der Hamburgischen Bürgerschaft seine Arbeit aufgenommen, um die Frage zu klären,
"warum der Hamburger Senat und die Hamburger Steuerverwaltung bereit waren, Steuern in Millionenhöhe mit Blick auf Cum-Ex-Geschäfte verjähren zu lassen und inwieweit es dabei zur Einflussnahme zugunsten der steuerpflichtigen Bank und zum Nachteil der Hamburgerinnen und Hamburger kam."
So die Darlegungen in der 38-seitigen Klageschrift von Anwalt Strate vom 15. Februar. Die Fragestellungen, denen der Ausschuss seitdem nachgeht, lauten:
- "Warum hat Hamburg im Jahr 2016 47 Millionen Euro vom Bankhaus M.M.Warburg & CO nicht zurückgefordert und wollte auch 2017 eine Forderung über weitere 43 Millionen Euro verjähren lassen?
- Gab es eine Einflussnahme vom damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf das Verfahren? Was wusste der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher?
- War er in das Verfahren eingebunden und hat er Einfluss ausgeübt?
- Hatte er seine Behörde im Griff und hat diese im Interesse der Stadt gehandelt?
- Gab es politische Einflussnahme weiterer Personen auf die Entscheidung des Hamburger Finanzamtes?
- Unterlagen die handelnden Beamten und Beamtinnen der Kontrolle der Finanzverwaltung, deren oberster Dienstherr Peter Tschentscher war?
- Wie konnte es zu diesem hohen Millionenschaden für die Stadt Hamburg kommen?"
Der heutige Kanzler Olaf Scholz soll es zudem in seiner damaligen Funktion als Hamburger Bürgermeister (2011 bis 2018) versäumt haben, 47 Millionen Euro von der Warburg Bank zurückzufordern. Der NDR fasst die zurückliegenden Ereignisse zusammen:
"Peter Tschentscher, so der Kernvorwurf des Anwalts, sei in seiner früheren Funktion als Finanzsenator verpflichtet gewesen, gesetzeswidriges Verhalten seiner Behörde zu verhindern. Hintergrund ist, dass Hamburg 2016 eine Millionenforderung gegen die Warburg Bank zunächst verjähren lies [sic!], im darauffolgenden Jahr Geld erst nach Intervention des Bundes zurückforderte. Gegen Warburg-Vertreter wurde damals bereits wegen des Verdachts illegaler Cum-Ex-Geschäfte ermittelt. Laut Strate haben das Scholz und Tschentscher gewusst.
Unter Punkt 4. der Strafanzeige: "Falschaussage des Olaf Scholz vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss" hinterfragt Strate den damaligen Aufritt von Scholz vor dem Untersuchungsausschuss und behauptet: "Diese Aussage ist falsch." Ein Zitat aus der Anzeige:
"Im Laufe der Anhörung durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses und seiner Mitglieder bekräftigte Herr Scholz wenigstens 40-mal, dass er keine Erinnerung habe. Auch die Frage, ob das Schicksal der Warburg Bank bei Gelegenheit irgendeiner Senatsvorbesprechung Thema gewesen sei, erklärte er, er erinnere das 'überhaupt nicht'."
Der Gesamtverdacht gegen Scholz würde sich auch daraus ergeben, dass er in seiner Funktion als damaliger Bürgermeister "durchaus zum Zeitpunkt der Gespräche um den kriminellen Charakter der "Cum-Ex-Geschäfte" wusste, so der Vorwurf von Strate. Als Beleg verwies der Anwalt auf einen "eigenen Tweet" von Scholz vom 09. Dezember 2019 (nachdem er in einer Stichwahl zum Bundesvorsitzenden der SPD im Juni des Jahres gegen das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verloren hatte):
"Ich halte #Cum-Ex für eine Riesenschweinerei. Und ich frage mich, wie irgendjemand diese Steuertricks für legal und legitim halten konnte."
In der Begründung des Einstellungsbescheids der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 14. März heißt es bezüglich der Vorwürfe in der Anklageschrift, dass die Staatsanwaltschaft "verpflichtet" sei "einzuschreiten", sollte ein "strafprozessualer Anfangsverdacht bestehen". Zur Ablehnung heißt es weiter wörtlich:
"Ein strafprozessualer Anfangsverdacht besteht dann, wenn zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Daran fehlt es vorliegend."
Der in der Anklageschrift "angezeigte Sachverhalt" wäre laut Einschätzung der formulierenden Oberstaatsanwältin bereits "Gegenstand der Prüfung eines Anfangsverdachts" gewesen. Dies würde bedeuten:
"Auch die neuerlichen Ausführungen des bekannten Geschehens ergeben entsprechend keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat, auch nicht zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung,"
um im letzten Punkt abschließend darzulegen: "Auf die bloß subjektive Annahme der Falschheit einer Aussage lässt sich ein Anfangsverdacht nicht stützen." Anwalt Gerhard Strate kommentiert in einer Stellungnahme auf seiner Webseite die Entscheidung der Hamburger Staatsanwaltschaft mit den Worten: "Das ist eine ebenso schlanke wie rechtlich unzutreffende Argumentation. Eine Haupttat – und das gilt auch im Steuerrecht – ist erst beendet, wenn sie ihren tatsächlichen Abschluss gefunden hat." Und weiter:
"So kann sich jeder Bürger selbst ein Bild davon machen, mit welchem Wohlwollen die Staatsanwaltschaft die fehlenden Erinnerungsleistungen des ehemaligen Bürgermeisters Olaf Scholz beurteilt. Sie hat dafür den Segen der Stadtregierung, aber nicht den der denkenden und immer noch urteilskräftigen Bürger.
Für diese sind die Falschaussagen des Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss eine Zumutung. Gleiches gilt für die ihn mit diesem Bescheid salvierende Staatsanwaltschaft Hamburg."
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