Berlin gilt als Hauptanlaufstelle der Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland. Allein am Samstag erreichten nach Angaben des Berliner Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) mehr als 11.000 Menschen aus der Ukraine die Hauptstadt. In den vergangenen vier Tagen sollen rund 30.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Berlin angekommen sein. Sie kommen vor allem aus Polen in die Stadt – in Zügen, Bussen oder mit Autos. Viele kommen bei Verwandten, Bekannten oder hilfsbereiten Berlinern unter.
Der Berliner Senat selbst soll laut einem Bericht des Tagesspiegels mehr als 5.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in den letzten Tagen untergebracht haben. Doch die Bundeshauptstadt kommt nach Angaben von Bürgermeisterin Franziska Giffey an ihre Grenzen. Die SPD-Politikerin forderte dringend Hilfe vom Bund an. Am vergangenen Freitag sagte Giffey:
"Die Zahlen werden sich in den kommenden Tagen massiv erhöhen. Man muss sich doch nur anschauen, was dort im Grenzgebiet los ist."
Allein im ukrainischen Nachbarland Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs mehr als 922.000 Flüchtlinge eingetroffen.
"Wir haben binnen einer Woche ein extrem dynamisches Geschehen: Am Anfang waren es 45 Menschen, die wir untergebracht haben, mittlerweile kommen über 10.000 am Tag", sagte Giffey am Sonntag im ZDF. Einerseits würden Ankunftszentren, Geflüchteten-Unterkünfte, Hostels, Jugendherbergen genutzt, anderseits gebe es ein großes privates Engagement. Die SPD-Politikerin betonte jedoch:
"Wir kommen zunehmend an unsere Grenzen. Es muss jetzt dringend eine bundesweite Organisation und Verteilung der Geflüchteten geben."
Am Montag wiederholte Giffey ihre Forderungen. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte sie:
"Wir brauchen jetzt Hilfe von der Bundesregierung. Es geht um Stunden – damit wir den Menschen weiter vernünftig helfen können."
Es gebe noch keine bundesweite Koordination. Zwar gebe es seit Sonntag Zusagen über die Verteilung von 900 Flüchtlingen im Bundesgebiet, das reiche aber bei 10.000 Neuankömmlingen in Berlin pro Tag nicht aus. "Berlin schafft das nicht allein", betonte Giffey. Auch am Montag erwartet Berlin demnach, dass rund 10.000 weitere Flüchtlinge aus der Ukraine in der Hauptstadt ankommen. Berlin könne das nicht alles abfangen, die Hilfe der Bundesregierung sei notwendig, so Giffey weiter.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wollte laut Giffey am Montag damit beginnen, Menschen mit Bussen in andere Bundesländer zu verteilen. Zudem sollten Mitarbeiter des Amts eintreffen, die helfen, die Menschen aus der Ukraine zu registrieren.
Auch andere Kommunen haben eine rasche Klärung der Verteilung und auch Hilfen vom Bund gefordert. "Die Städte rechnen damit, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, die nach Deutschland kommen, schnell zunehmen wird", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe der Rheinischen Post. Bund und Länder müssten rasch eine gleichmäßige Verteilung sicherstellen. Lewe fügte hinzu:
"Wir brauchen zwischen Bund, Ländern und Kommunen einen ganz engen Austausch, damit offene Fragen schnell geklärt werden können. Und wir brauchen so früh wie möglich Angaben, in welchem Umfang wir Kapazitäten vor Ort ausbauen müssen."
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte "sehr schnell einen Verteil-Schlüssel für die Geflüchteten aus der Ukraine", wie der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Rheinischen Post erklärte.
Am Sonntag hatte die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales via Twitter mitgeteilt, dass Flüchtlinge aus der Ukraine seit Sonntag mit Bussen vom Berliner Hauptbahnhof aus in andere Bundesländer gebracht würden. 13 Bundesländer würden angesteuert, Bayern und Hamburg seien ausgenommen. Das Bundesinnenministerium erklärte auf dpa-Anfrage, dass alle Bundesländer an der Verteilung der Kriegsflüchtlinge beteiligt seien – auch Hamburg und Bayern. Wegen parallel ankommender Züge seien dorthin aber am Wochenende keine zusätzlichen Busse geschickt worden.
Wie die Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial via Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, gäbe es am Hauptbahnhof in Berlin auch einen Bus nach Paris, der mehrmals am Tag abfahre. "Damit ist eine (kostenlose) Weiterfahrt in andere EU-Länder möglich: Paris und dann weiter", so Niewiedzial.
Mehr zum Thema - Boris Johnson: Putin wird "Menschen in europäischen Städten pulverisieren"