128 Menschen haben beim Feuer in einem Essener Wohnkomplex ihre Wohnung und viele von ihnen ihr Hab und Gut verloren. Die Mehrzahl der Betroffenen habe sich am Montag selbst eine vorübergehende Bleibe organisiert, 27 Menschen müssten für einen längeren Zeitraum untergebracht werden, teilte die Stadt Essen mit. Das Wohnungsunternehmen Vivawest als Eigentümer des Hauses hatte den Bewohnern kurzfristig Zimmer in umliegenden Hotels angeboten. Nach dem Brand am frühen Montagmorgen wurden drei Menschen mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Die Feuerwehr war mit 150 Einsatzkräften vor Ort.
In der Anlage gibt es nach Angaben des Hauseigentümers Vivawest Wohnen GmbH insgesamt 112 Wohnungen mit zwischen einem und vier Zimmern. 35 davon brannten bei dem Feuer komplett aus, weitere sind von massiver Rauchentwicklung oder Löschwasser betroffen.
Der Brand soll sich von einem Balkon ausgebreitet haben. Das in der Nacht wütende Sturmtief "Antonia" sorgte laut Feuerwehr offensichtlich dafür, dass sich das Feuer dann rasend schnell über die im Wind liegende Fassade und Balkone ausbreitete. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, zur Brandursache gebe es noch keine Erkenntnisse. Der Brand sei aber sehr stark von außen in Gang gesetzt worden. Ein Feuerwehrsprecher betonte:
"Die massive Brandausbreitung hat alle Einsatzkräfte sehr überrascht."
So etwas habe man noch nie erlebt. Normalerweise gebe es in modernen Gebäuden Brandsperren, sodass so etwas eigentlich nicht möglich sei. Warum es in diesem Fall dennoch habe geschehen können, müsse untersucht werden. Die Polizei will möglichst bald Ermittlungen aufnehmen, doch am Montagmittag gab es immer noch einzelne Brandnester. Zudem ist der weitgehend zerstörte Wohnkomplex einsturzgefährdet.
Der Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands und Sachverständige für Vorbeugenden Brandschutz Frank Hachemer vermutet, dass sich das Feuer über den Außenbereich, möglicherweise über eine Fassadendämmung, ausbreitete. Hachemer erklärte:
"Natürlich kann man das als Außenstehender nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber wenn ich mir die ersten öffentlich zugänglichen Bilder und eine kurze Filmsequenz anschaue, dann sieht es zunächst so aus, dass sich das Feuer über die Fassade verbreitet hat."
Und der Putz brenne eher nicht, fügte er hinzu. Dazu passe auch, dass der Sturm nach Beschreibungen von Augenzeugen das Feuer angefacht habe. "Das geht natürlich am ehesten, wenn es sich um eine Entwicklung außen am Gebäude handelt und nicht im Inneren." Eine Ausbreitung im Inneren sei aufgrund der heutigen Brandschutzvorschriften auch kaum noch so einfach möglich. Die Decken seien selbst schon Brandschottungen, die eigentlich gar nicht ohne weiteres durchbrochen werden können, sodass ein Feuer meist in einem Zimmer gefangen bleibe, erläuterte der Brandschutz-Experte der Nachrichtenagentur dpa.
Das Thema Fassadendämmung stehe seit Jahren in der Diskussion. Er ergänzte:
"Da gibt es brennbare und nicht brennbare Dämmungen. Mineralwolle zum Beispiel ist nicht brennbar, hat aber zum Beispiel den Nachteil, dass sie ihre Dämmwirkung verliert, wenn sie nass wird."
Um einer Ausbreitung über die Fassadendämmung vorzubeugen, müssten nach aktuellen Vorschriften waagerechte Fassadenriegel in der Dämmung angebracht werden. Sie sollen verhindern, dass ein Brand von unten nach oben weiterwandere.
Das Gebäude mit einer Fassadenlänge von etwa 65 Metern mit viereinhalb Geschossen sei mit einer Wärmedämmverbundfassade ausgestattet, sagte ein Sprecher des Hauseigentümers. Der Komplex war ein Neubau von 2015, der gemäß den Bauvorschriften mit Brandschutztüren gegen eine schnelle Verbreitung eines Feuers ausgestattet war. Die Brandschutztüren seien zuletzt im März 2021 gewartet worden. Die Dämmung des Hauses erfolge überwiegend mit Mineralfaserplatten, weil diese weniger brandanfällig als Polysterol-Dämmstoffe seien.
Als direkter Anwohner und einer der ersten Augenzeugen des Feuers berichtete ein 35-Jähriger Journalisten, dass alles unheimlich schnell gegangen sei.
"Innerhalb von 20 Minuten stand das ganze Haus komplett in Flammen. Man hat das Gefühl, das ist ein Feuer-Inferno, in dem man sich hier befindet."
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(rt/dpa)