Tagesordnungspunkt 1 der Sitzung des Deutschen Bundesrats am 11. Februar lautete: "Ansprache des Bundeskanzlers". Bodo Ramelow begrüßte in seiner Funktion als aktueller Präsident des Bundesrats Bundeskanzler Olaf Scholz vor seiner Grundsatzrede mit den Worten, dass sich die Anwesenden "freuen", dass der Bundeskanzler um das Wort gebeten habe, und wünschte ihm nach erneuter Gratulation zur Wahl als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland "eine gute Hand und gutes Gelingen".
Zu Beginn bezeichnete Scholz die Möglichkeit, im Bundesrat als Kanzler zu sprechen, als "gute Tradition" und bat die anwesenden Minister der Länder "zum Wohle des Landes" um "eine gute Zusammenarbeit". Die Leitziele der neuen Bundesregierung lauteten "Fortschritt, Erneuerung, Zusammenhalt". Der Besuch des Bundesrats stelle für ihn als ehemaliger Bürgermeister des Stadtstaats Hamburg "auch eine Art Heimkehr" dar. Die "Herzkammer des Föderalismus" sei der Bundesrat, so Scholz zu Anfang seiner Rede.
Die "föderale Ordnung" habe sich rückblickend in der Gesamtzeit der Corona-Krise "bewährt", die Änderung des Infektionsschutzgesetzes habe für "weitgehend einheitliche Regelungen" in Deutschland gesorgt. Das sei wichtig gewesen "für die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern" im Land. Deutschland komme im Vergleich "mit vielen anderen Ländern in Europa aktuell verhältnismäßig gut durch die Omikron-Welle". Das Gesundheitssystem habe "standgehalten", was wiederum belege, dass die aktuellen Maßnahmen wirken.
Drei Millionen Menschen über 60 hätten "keinen vollen Impfschutz", und "rund 2,2 Millionen" Bürger der gleichen Altersgruppe hätten bislang keine Boosterimpfung erhalten. Dies sei unbedingt zu beachten, daher müsse auch weiterhin vorsichtig agiert werden. Aktuelle wissenschaftliche Prognosen zeigten jedoch, dass ein "Ende der Omikron-Welle" in Sicht sei, daher könnten die Verantwortlichen bei der Ministerpräsidentenkonferenz nächste Woche "einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick nehmen". Wie auch bisher, lasse die Politik sich von "wissenschaftlichen Expertisen leiten". Zugleich "werden wir wachsam und vorbereitet sein für den Fall, dass die Zahl der Infizierten wieder deutlich zunimmt", so Scholz, um im Anschluss nachdrücklich zu betonen:
"Eines ist klar: Der einzige Weg aus der Krise bleibt das Impfen. Deshalb setzten wir auch weiterhin alles daran, Menschen von der Wirksamkeit der Impfung zu überzeugen."
Mit Blick auf die "einrichtungsbezogene Impfpflicht", die "gemeinsam vorgenommen und gemeinsam beschlossen wurde", sei weiterhin von hoher Priorität, die "schwächsten und gefährdetsten" Bürger zu schützen. Da der kommende Herbst und Winter "auch wieder mit steigenden Infektionen verbunden" sein könnte, ergäbe auch "die allgemeine Impfpflicht" für den Bundeskanzler Sinn. Als Lehre aus der Pandemie plane die Regierung, die "Attraktivität des Pflegeberufs" zu erhöhen und "die Gewinnung von Fachkräften" zu "vereinfachen".
Das ZDF befragte Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha in einem Interview, warum Scholz oft so unkonkret bleibe. Holtz-Bacha antwortete, sie sehe dahinter eine Strategie, die "Scholz aber auch schaden könnte". Ihre Einschätzung lautet:
"Man muss außerdem berücksichtigen, dass Olaf Scholz Kanzler einer Drei-Parteien-Koalition ist, mit unterschiedlichsten Interessen in vielen Fragen. Diese Parteien, die sich auch selbst nicht einig sind, zusammenzuhalten, ist kein leichtes Unterfangen. Er hält sich deshalb zurück. Das macht Olaf Scholz sehr geschickt."
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