Drosten räumt ein: In Wuhan "wurden Sachen gemacht, die als gefährlich bezeichnet werden könnten"

In der jüngsten Zeit wurden Vorwürfe des Physikers Roland Wiesendanger gegen Experten wie den Charité-Virologen Christian Drosten laut, dass dieser den Ursprung von SARS-CoV-2 verschleiere. Nun räumte Drosten ein, dass in Wuhan Sachen gemacht wurden, "die als gefährlich bezeichnet werden könnten".

In der Debatte um einen möglichen Laborursprung des Coronavirus hat sich nun auch der Charité-Virologe Christian Drosten zu Wort gemeldet. In Interviews mit Cicero und der Neuen Zürcher Zeitung hatte der Physiker Roland Wiesendanger in der vergangenen Woche erklärt, dass es seiner Auffassung zufolge wahrscheinlich sei, dass SARS-CoV-2 aus dem Labor in Wuhan stammt. Wiesendanger warf Drosten auch vor, die Medienwelt und die Politik diesbezüglich in die Irre geführt und getäuscht zu haben. Als Teilnehmer an einer Telefonkonferenz, die vom US-amerikanischen Präsidentenberater Anthony Fauci angeregt wurde und die sich am 1. Februar 2020 beriet, soll Drosten dazu beigetragen haben, einen möglichen Laborursprung des Coronavirus zu verschleiern.

Nun räumte Drosten im Interview mit der Süddeutschen Zeitung ein, dass in Wuhan "durchaus Sachen gemacht wurden, die man als gefährlich bezeichnen könnte. Das hätte echt nicht sein müssen". Nach Ansicht Drostens hätte dabei jedoch nicht der SARS-CoV-2-Erreger entstehen können. Damit bezieht sich Drosten auf publik gewordene Projektberichte, laut denen in einem Projekt der US-amerikanischen Eco Health Alliance tatsächlich "Gain of Function"-Experimente durchgeführt wurden, bei denen Fledermausviren durch Gentechnik neue Spikeproteine eingebaut werden.

"Es zeigte sich, dass die so konstruierten Viren sich besser vermehren konnten. Es wurde auch bekannt, dass Pläne zum Einbau von Furinspaltstellen bestanden, aber das sollte in einem amerikanischen Labor gemacht werden, und das Projekt wurde nicht finanziert", so Drosten.

Der SARS-CoV-2-Erreger verfügt jedoch über eine Furinspalte, die es den Viren ermöglicht, Atemwegszellen leichter zu befallen. Theoretisch könnte man eine solche Spalte im Labor erzeugen, allerdings würden solche Furinspalten auch ständig neu in der Natur entstehen. In einer eigenen Preprint-Studie habe seine Arbeitsgruppe an der Charité in Proben von Fledermäusen Exemplare von mit SARS-CoV-2 verwandten Viren gefunden, "bei denen nur eine Mutation nötig wäre, und dann hätten diese Viren auch so eine Furinspaltstelle ähnlich der von Sars-CoV-2". Daher gehe er davon aus, dass dies auch in der Natur auftreten könne. Von der Fachwelt wurde die Studie, die man laut Drosten als Preprint veröffentlichte, da man angeblich keine Gutachter dafür fand, allerdings zerrissen. So bezeichnete Jesse Bloom vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle die Vorab-Studie als nicht besonders aussagekräftig:

"Ich stehe den verschiedenen Hypothesen über die Entstehungsmechanismen von Furin-Spaltstellen skeptisch gegenüber, aber der Teil dieses Papiers, der nahelegt, dass Furin-Spaltstellen in zwei dieser SARSr-CoVs als Nebenvariante vorhanden sein könnten, ist peinlich schlechte Wissenschaft, die nicht weiter verbreitet werden sollte."

Drosten hält es dennoch weiterhin für wahrscheinlich, dass das Coronavirus natürlichen Ursprungs sei und beispielsweise auf dem Markt in Wuhan entstand, da dort auch Tiere wie Marder oder Schleichkatzen, die als Zwischenwirte in Frage kämen, verkauft wurden. In Bezug auf die Vertuschungsvorwürfe Wiesdangers sagte er, dass es dafür keine Belege gebe:

"Man kann in allen öffentlichen Äußerungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten. Ich habe nur immer auch dazugesagt, weshalb ich einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich aus belegbaren Gründen für wahrscheinlicher halte."

Im Interview kritisierte Drosten auch, dass seine Kollegen die Öffentlichkeit nicht frühzeitig über den in Wuhan stattfindenden Versuch informiert hatten:

"Vor allem wussten ja einige Leute in den USA von diesen Versuchen. Man hätte schon am Anfang, als diese öffentlichen Vorwürfe kamen, offensiv und proaktiv kommunizieren müssen, was dort im Labor gemacht wurde. Viele Wissenschaftler, auch ich, haben damals in The Lancet für die Kollegen aus Wuhan die Hand ins Feuer gelegt, wurden aber über diese Projekte nicht informiert. Hätte ich davon gewusst, hätte ich zumindest Rückfragen gehabt, bevor ich meine Unterschrift leistete."

Endgültige Gewissheit über den Ursprung von SARS-CoV-2 werde man erst haben, wenn auch China bei der Aufklärung kooperiere, so Drosten. Ihn verwundere, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen mit Begutachtung hierzu fehlen. Die Erforschung der Virusdiversität sei eigentlich eine Stärke Chinas, aber zu SARS-CoV-2 "kommt nichts mehr dazu".

"Wenn man aber dauernd mit irgendwelchen unqualifizierten, zum Teil ungeheuerlichen Vorwürfen kommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich damit die Kooperation unserer Kolleginnen und Kollegen dort sichert."

Mehr zum Thema Der Wuhan-Verdacht: Drosten soll komplette "Medienwelt und Politik in die Irre geführt" haben