Pflegekräfte sollen ab September 2022 "deutlich" mehr Geld erhalten, jedoch gestaffelt bis Ende 2023

Die Mindestlöhne für Pflegekräfte in Deutschland sollen nun ab dem 1. September in mehreren Schritten erhöht werden. Je nach Qualifizierung bedeutet dies 40 bis 70 Cent für das Jahr 2022. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begrüßte diese Entscheidung.

Schon im Januar 2020 verkündete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) die anvisierte Lohnerhöhung für Hilfskräfte und gelerntes Personal in der Pflege. "Bis 1. April 2022 soll der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte in vier Schritten spürbar [...] angehoben werden, wie die Pflegekommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Dienstag in Berlin beschloss", hieß es in dem Artikel. Die Pläne dazu wurden nun in einer Mitteilung der Pflegekommission bestätigt. Demnach sollen die Mindestlöhne für Hilfskräfte in einer fortlaufenden Staffelung bis Ende 2023 schrittweise von aktuell 12 auf 14,15 Euro steigen; für qualifizierte Hilfskräfte von 12,50 auf 15,25 Euro; und für Pflegefachkräfte von 15 Euro auf dann 18,25 Euro.

Die aktuellen Mitglieder der Pflegekommission setzen sich aus den folgenden fünf Organisationen zusammen:

Die Seite BibliomedPflege schreibt zu der Arbeit der Kommission:

"Mit dem Ende November 2019 in Kraft getretenen Gesetz für bessere Löhne in der Pflege, dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz, hatte das Arbeitsministerium beschlossen, die Pflegekommission als dauerhaftes Gremium zu etablieren. Laut Ministeriumsvorgaben soll sich diese zusammensetzen aus Vertreterinnen und Vertretern von Arbeit- bzw. Dienstgebenden sowie Arbeit- bzw. Dienstnehmenden."

Für das Jahr 2022 bedeutet die nun verkündete Aktualisierung des Stundenlohns folgende Regelung:

Die Pflegekommission empfiehlt in ihrer aktuellen Entscheidung auch mehr Urlaubstage. Demnach sollen Beschäftigte mit einer Fünf-Tage-Woche für das Jahr 2022 über den gesetzlichen Anspruch hinaus zusätzlich sieben Tage erhalten; für die Jahre 2023 und 2024 jeweils neun Tage extra. Diese Empfehlung ist aber noch nicht rechtskräftig. So heißt es auf der Seite BibliomedPflege:

"Das Bundesarbeitsministerium kann die Anregungen der Kommission für alle betroffenen Pflegebetriebe im Rahmen einer Rechtsverordnung verbindlich vorgeben."

In Einrichtungen mit Pflegemindestlohn arbeiten in Deutschland nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums 1,2 Millionen Beschäftigte. Die Tatsache unterschiedlicher Pflegemindestlöhne in Ost- und Westdeutschland wurde, über den Plan für einen einheitlichen, bundesweit geltenden Mindestlohn, erst jüngst zum 1. September 2021 angepasst. 

Diese Anpassung, ausgehend von einer dementsprechenden Empfehlung der Pflegekommission, wurde im Jahre 2020 von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begrüßt und kommentiert:

"Das Ergebnis bereitet auch den Weg, die längst überkommenen unterschiedlichen Pflegemindestlöhne in Ost- und Westdeutschland zu überwinden."

Zu den Aktualisierungen der Mindestlöhne im Jahre 2022 wird Heil mit den Worten zitiert: 

"Die deutlichen Lohnsteigerungen sind eine gute Nachricht für die Altenpflegerinnen und -pfleger in Deutschland, die jeden Tag anpacken und sich um die älteren und pflegebedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft kümmern."

Dies seien, seiner Meinung nach, "wichtige Schritte, um die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern. Diesen Weg werden wir weitergehen", so Heil am 8. Februar. Gesundheitsminister Lauterbach stellte seinerseits fest: 

"Für viele Pflegekräfte zahlt sich ein höherer Mindestlohn in besserer Bezahlung aus."

Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, erklärte im November 2021 zudem:

"Die neuen Regelungen werden für Pflegekräfte insbesondere in den neuen Ländern und bei kommerziellen Anbietern zu deutlichen Verbesserungen führen."

Ziel müsse es aber bleiben, einen "bundesweiten Tarifvertrag zu Mindestarbeitsbedingungen in der Altenpflege" für die Branche zu erreichen.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete im Februar 2021 darüber, dass entsprechende Pläne seitens der Gewerkschaft Verdi und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) am Veto des katholischen Wohlfahrtsverbandes Caritas scheiterten. Das ursprüngliche Ziel sah vor, den ausgearbeiteten Tarifvertrag vom Bundesarbeitsministerium für "allgemeinverbindlich" erklären zu lassen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass nach Absegnung, also Bestätigung durch das Bundesarbeitsministerium kein Pflege-Arbeitgeber in Deutschland mehr niedrigere Löhne hätte zahlen dürfen. Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände, also auch die Diakonie, hätten dem Antrag beim Bundesarbeitsministerium zustimmen müssen. Ihre Arbeitsverhältnisse sind jedoch "vor einem Eingriff des Staates besonders geschützt", so Informationen in dem SZ-Artikel. Das Veto erfolgte lediglich seitens der Caritas. Die Dienstnehmer-Vertreter des katholischen Wohlfahrtsverbandes kritisierten diesen Beschluss im Jahre 2021: "Wir bedauern die mangelnde Solidarität der Caritas-Dienstgeber", so ihr Sprecher Thomas Rühl.

"Ein allgemeinverbindlicher Tarif Altenpflege hätte für tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet."

An dieser Situation werden die nun kommenden Lohnerhöhungen von bis zu 70 Cent monatlich im Jahre 2022 wenig ändern. Dr. Birgit Fix, Referentin für Armuts- und Arbeitsmarktfragen beim Deutschen Caritasverband, teilte per Pressmitteilung am 8. Februar mit:

"Aus Sicht der Caritas sind die Pläne der Regierung nicht dazu geeignet, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu befördern."

Auf der Seite der Caritas formuliert sie ihre Kritik wie folgt: 

"Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung die geringfügige Beschäftigung mit dem gesetzlichen Mindestlohn synchronisieren, indem die Geringfügigkeitsgrenze sich künftig an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen nach dem MiLoG (Mindestlohngesetz) orientieren soll."

Laut Angaben der Caritas-Seite übten 2019 insgesamt mehr als sieben Millionen Erwerbstätige Minijobs aus:

"In der Corona-Krise sank die Zahl auf rund sechs Millionen, aktuell liegt sie bei 6,5 Millionen (Stand September 2021). Frauen üben häufiger eine nur geringfügige Beschäftigung aus, im privaten Bereich liegt ihr Anteil bei knapp 90 Prozent, im gewerblichen Bereich bei knapp 60 Prozent. Mehr als ein Drittel der
Minijobber im gewerblichen Bereich (34,6 Prozent) erhalten einen monatlichen Durchschnittsverdienst von 400 bis 450 Euro. Im Privathaushalt verdienen etwa die Hälfte der Minijobber (49,9 Prozent) bis zu 150 Euro."

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