Als mutmaßlicher Anführer des "Teams Vorsicht" hatte sich der bayerische Ministerpräsident auf dem Höhepunkt der Corona-Krise bundesweit profiliert. Dann blies dem CSU-Chef in den vergangenen Monaten ein zunehmend rauer Wind ins Gesicht.
Als erstes Bundesland verhängte Bayern im März 2020 Ausgangsbeschränkungen. Laut Söder für Bayern eine Frage des Charakters. Dann stellte sich Anfang Oktober 2021 heraus, dass die Maßnahme rechtswidrig war.
Zudem war bei mehr als der Hälfte der Corona-Positiven im Freistaat der Impfstatus unklar – trotzdem gingen die Behörden einfach von Ungeimpften aus. Söder nutzte die falschen Zahlen, um zu behaupten, dass die Inzidenz bei Ungeimpften höher sei, als bei gegen COVID-19 Geimpften. Der Skandal ohne Konsequenzen war perfekt.
Vor wenigen Wochen wechselte Markus Söder dann als Vertreter einer sehr rigiden Corona-Maßnahmenpolitik ins Team "Neugestaltung der Corona-Politik". Auch auf die Kritiker der Corona-Politik gelte es zuzugehen. Mitte Januar wurde Söder mit den Worten zitiert: "Wir müssen erkennen, dass die Gesellschaft mehr von uns erwartet, als jeden Tag nur neue Verordnungen zu erlassen. Wir müssen künftig genauer und verständlicher begründen, was wir tun".
Jetzt nimmt Söder in Sachen Corona-Maßnahmen weiter das Gas vom Pedal. In gleich mehreren Bereichen könnten schon am Dienstag Lockerungen beschlossen werden. Die trotz weiter steigender Corona-Zahlen stabile Lage auf Bayerns Intensivstationen soll nach Ansicht des bayerischen Ministerpräsidenten zu deutlichen Lockerungen führen. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr, machte er am Montag entsprechende Vorschläge bei einer Videoschalte des CSU-Vorstands.
Beschlüsse dazu könnten bereits am Dienstag im Kabinett fallen. Im ZDF teilte Söder am Montagmorgen mit:
"Wir haben nur ein Drittel der Belegung der Intensivbetten, wie wir vergleichbar bei der vierten Welle von Delta hatten. Und das ist doch das Entscheidende."
Einschränkungen seien dann richtig, wenn das Gesundheitssystem extrem belastet werde. Dies sei "derzeit aber bei Omikron nicht der Fall". Daher machen "ein Einstieg in den Ausstieg" Sinn, so der CSU-Chef. Jetzt gelte es daher, eine "sanfte und kontrollierte Öffnung" umzusetzen. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärte Söder am frühen Montagnachmittag:
"Wir setzen bei Corona auf sanfte und kontrollierte Öffnungen, auf Vorsicht mit Hoffnung. In den Kliniken droht derzeit keine Überlastung. Das Kabinett wird daher morgen für Bayern beschließen: Die Corona-bedingte Sperrstunde in der Gastronomie wird aufgehoben."
Söders Vorschlägen zufolge soll die gegenwärtig ab 22.00 Uhr geltende Sperrstunde für die Gastronomie aufgehoben werden. In Lokalen, in denen Speisen angeboten werden, können Gäste damit wieder länger sitzen.
Bei einer Pressekonferenz am Montagmittag erklärte Söder in Hinblick auf die kommende Ministerpräsidentenkonferenz und die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass man an einigen Stellen vielleicht zu sehr "in alten Denkmustern" gefangen sei. Man wolle ermutigen und repräsentieren, so der CSU-Chef nun.
Bei Sportveranstaltungen soll wieder eine Zuschauer-Auslastung von bis zu 50 Prozent erlaubt werden – in Stadien und bei großen Sportveranstaltungen liegt die Grenze aktuell bei 25 Prozent. Zudem soll laut Söder dann eine maximale Obergrenze von 15.000 Zuschauern gelten, aktuell sind es 10.000.
Bei Kulturveranstaltungen soll erneut eine Auslastung von bis zu 75 Prozent möglich werden, aktuell sind es höchstens 50 Prozent. In beiden Bereichen soll es aber bei der 2G-Plus-Regel und FFP2-Maskenpflicht bleiben.
Körpernahe Dienstleistungen wie Friseure oder Nagelstudios sollen in Bayern künftig auch wieder für Besucher mit einem negativen Corona-Test möglich sein. Es soll hier wieder die 3G-Regel gelten. Damit dürften auch Ungeimpfte oder Personen, die keinen Genesenen-Nachweis haben, wieder die Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Aktuell gilt hier noch die 2G-Regel.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll in Bayern ab März umgesetzt werden. "Ich bin für die Impfpflicht", stellte Söder laut Merkur klar. Diese "singuläre Pflicht" sei jedoch "keine Lösung in der Omikron-Krise". Es werde "großzügigste Übergangsregelungen" geben, was "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft", teilte der CSU-Vorsitzende mit. "Für wie viele Monate wird man dann sehen", fügte er hinzu - jedenfalls zunächst für einige Zeit. Ziel sei es, "das Ganze vernünftig zu gestalten".
"Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum 15.3. kommen soll, ist kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen."
Die Abwanderung von Pflegekräften könnte zu einer zusätzlichen Belastung und zu einer Verschlechterung der Situation in der Pflege führen, warnte Söder. "Es führt nur zu Problemen, ist leider keine Lösung." Es gebe "größte Sorge, dass dies eigentlich zu einer Überlastung und Schwächung des Gesundheitssystems führen könnte, weil es Ausweichbewegungen geben könnte", teilte Söder mit.
Ebenfalls am Montag forderte der CSU-Chef den Genesenenstatus wieder auf sechs Monate zurückzusetzen.
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