Der deutsche Duden empfiehlt, auf die Ausdrücke "Jüdin" oder "Jude" zu verzichten. Stattdessen solle "jüdischer Mensch", "jüdischer Mitbürger" oder "Mensch jüdischen Glaubens" gesagt werden.
In einem "besonderen Hinweis" heißt es:
"Gelegentlich wird die Bezeichnung Jude, Jüdin wegen der Erinnerung an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch als diskriminierend empfunden. In diesen Fällen werden dann meist Formulierungen wie jüdische Menschen, jüdische Mitbürger oder Menschen jüdischen Glaubens gewählt."
Der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland sah sich nun dazu veranlasst, auf Twitter zu reagieren:
Kritiker weisen darauf hin, dass die Bezeichnung "Mensch jüdischen Glaubens" der Duden-Erklärung an sich widerspricht. Denn darin wird der Begriff "Jude" wie folgt erklärt:
"Angehöriger eines semitischen Volkes, einer religiös beziehungsweise ethnisch zusammengehörenden, in fast allen Ländern der Erde vertretenen Gemeinschaft."
Das Gefühl der Diskriminierung, aus jüdischer Sicht, sei wohl eher ein Unwohlsein bei Nichtjuden, das Wort "Jude" zu benutzen. In den sozialen Medien wird das Thema heiß diskutiert. Einige sprechen vom Trend der "Cancel Culture", dem sich der Duden nun offenbar hingebe.
Twitter-Stimmen zu dem Thema:
"Es ist noch gar nicht so lange her in Deutschland, da hätten Journalisten und Verantwortliche einfach recherchiert und Betroffene direkt befragt. Anstatt sich vom vermeintlichen Zeitgeist und Cancel Culture treiben zu lassen."
"Wenn der Duden vorschlägt, nicht mehr Jude zu sagen, gibt er den Nazis noch knapp 80 Jahre nach deren Untergang eine Macht über unsere Gegenwart, die sie nicht haben dürfen."
"Der eine mag es gerne so, der andere anders. Am genauesten beschreibt es der Begriff 'Person/Mensch jüdischen Glaubens' noch am besten. Ist allerdings auch schon sehr situationsbezogen."
"Wir sollten uns hinterfragen, wenn einige bei der Aussprache des Wortes 'Jude' an eine Beleidigung denken. 'Christ' zu sagen geht ja schließlich auch problemlos über die Lippen."
Blutsbande oder Bekenntnis?
Mit der Empfehlung stößt der Duden eine alte Diskussion auf die Frage "Wer ist Jude?" an. Im Sinne der Halacha (rechtlicher Teil der Überlieferung des Judentums) ist Jude und Teil des jüdischen Volks derjenige, der eine jüdische Mutter hat.
Der Beitritt zum Judentum über die reine Bekenntnis findet in Israel keine Gleichberechtigung. Auch die Mehrheit der jüdischen Gemeinden hierzulande akzeptiert keine Mitglieder, die beispielsweise nur einen jüdischen Vater haben. Hier richtet man sich nach der Orthodoxie. Das Reformjudentum hingegen sieht den Übertritt als eine Möglichkeit, Teil des Volkes Israel zu werden.
Die niederländische Schriftstellerin und Feministin Catharina Dessaur prägte den Begriff des Vaterjuden. Gemeint damit sind Kinder, deren Vater Jude ist und nicht die Mutter. Diese Bezeichnung will die Mehrheit der Betroffenen jedoch nicht übernehmen und empfindet sie als Makel. Versuche der Vernetzung und der Zusammenschluss zu einem Verband der Betroffenen in Deutschland scheiterten.
In Deutschland gehören rund 95.0000 Menschen einer jüdischen Gemeinde an. Vor dem Jahr 1933 waren es 560.000 Mitglieder.
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