von Susan Bonath
Praktisch über Nacht hatte das Robert Koch-Institut (RKI) unter Lothar Wieler Mitte Januar den sogenannten Genesenen-Status halbiert. Seither dürfen alle, die mit dem Coronavirus infiziert waren, gewisse Grundrechte in Deutschland nur noch vom 29. bis zum 90. Tag nach einem positiven PCR-Test ausschöpfen. Seitens der Wissenschaft wird daran viel Kritik geübt. Tatsächlich zeigen immer mehr Studien: Genesene sind wohl mindestens so gut geschützt wie Geimpfte, wenn nicht sogar viel breiter und langfristiger.
Nun besagt auch eine neue Publikation des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München: Der Blick allein auf Antikörper gegen das Virus ist wohl zu kurz gegriffen. Denn auch als diese nicht mehr nachweisbar waren, fanden die Forscher spezifische Gedächtniszellen im Blut Genesener.
LMU: Aktive Gedächtniszellen "für lange Zeit"
Die Autoren vom LMU-Institut für Klinische Neuroimmunologie gingen der Frage nach, ob Menschen nach einer COVID-19-Erkrankung auch dann noch eine schützende Immunantwort auf den SARS-CoV-2-Erreger haben, wenn keine spezifischen Antikörper mehr im Blut nachgewiesen werden können. Bisher habe sich die Wissenschaft auf diese und auf sogenannte T-Killerzellen fixiert. Hingegen sei die Kenntnis über die Funktion von B-Gedächtniszellen bisher gering, bemängeln sie.
Ihre Untersuchung habe jetzt ergeben: Die Gedächtniszellen verbleiben lange nach einer Infektion im Blut und verhelfen "zu einem länger anhaltenden Schutz vor einem schweren COVID-19-Verlauf". Forschungsgruppen-Leiter Edgar Meinl erklärte dazu:
"Gedächtnis-B-Zellen bilden nach einer Infektion eine stille Reserve, die bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger sofort aktiviert werden kann und für eine schnelle Abwehrreaktion mit der Ausschüttung von Antikörpern sorgt."
Die Wissenschaftler haben im Blut von jeweils 17 Genesenen und Geimpften nach diesen Gedächtniszellen gesucht und wurden bei allen fündig – unabhängig davon, ob noch Antikörper vorhanden waren oder nicht. Diese Zellen produzierten sofort bei erneutem Kontakt mit dem Virus Antikörper, die das Andocken des Virus an körpereigene Zellen verhinderten. Sie blockierten also die Bindung des sogenannten Spike-Proteins des Virus an den zellulären ACE-2-Rezeptor. So hätten sie in einer Zellkultur infektiöse Viren unschädlich gemacht. Meinl führte dazu aus:
"Unsere Erkenntnisse sind wesentlich für die Frage der Langzeit-Immunität, da sich Gedächtnis-B-Zellen bei erneuter Infektion – oder bei Infektionen nach einer Impfung – sehr schnell zu Antikörper produzierenden Zellen differenzieren und auch weiterentwickeln können, um Virusvarianten besser zu finden."
Impfen in Dauerschleife?
Diese Erkenntnis stellt nicht nur den politischen Umgang mit Genesenen infrage, sondern auch den mit doppelt Geimpften. So müsste zumindest geprüft werden, ob ständiges Nachimpfen, also Boostern, möglicherweise dem Immunsystem mehr schadet als nützt.
Erst kürzlich hatte das Robert Koch-Institut die vierte Impfung für zahlreiche Personengruppen empfohlen. Über 70-Jährige, Pflegebedürftige, Bewohner von Heimen und Immungeschwächte ab einem Alter von fünf Jahren sollten diese demnach bereits drei Monate nach ihrer dritten Impfung erhalten. Für Pflegekräfte und medizinische Angestellte empfiehlt das Bundesinstitut, sich frühestens sechs Monate nach ihrer dritten Spritze erneut impfen zu lassen. Einzige Ausnahme sei eine Infektion nach der dritten Impfung.
Dies könnte in eine Endlosschleife von immer neuen Impfungen gegen SARS-CoV-2 ausarten. Und es wirft die Frage auf: Was soll eigentlich mit immer weiteren Nachimpfungen erreicht werden? Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass alle bedingt zugelassenen Vakzine weder vor einer Ansteckung noch vor einer Übertragung schützen. Vielmehr verringern sie lediglich – jedenfalls für eine gewisse Zeit – die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs. Und dies möglicherweise sogar weniger effizient als die Infektion selbst.
Umfrage an 17 Kliniken in Deutschland: Keine bekannten Genesenen auf Intensivstationen
Das legt zumindest eine Umfrage von Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik am Bethanien-Krankenhaus Moers, nahe. Wie unter anderem die Berliner Zeitung berichtete, befragte der Arzt 17 Kliniken in Deutschland. Er wollte wissen, wie viele zuvor Genesene in ihren Stationen wegen einer Corona-Infektion behandelt würden, 13 hätten ihm geantwortet. Zu dem Umfrageergebnis sagte Voshaar:
"Abgesehen von einigen Fällen auf einer Normalstation und einem unklaren Status gab es in den Kliniken keine Schwerkranken bzw. auf den Intensivstationen keine Fälle von wegen einer COVID-19-Erkrankung behandelten Patienten, die bereits vorher einmal genesen waren."
Doch was Genesene und Geimpfte anbetrifft, legt das RKI grundsätzlich unterschiedliche Maßstäbe an. Auf der einen Seite räumt das Institut ein, dass die Vakzine hauptsächlich dazu dienen, für eine gewisse Zeit schwere Erkrankungsverläufe zu verhindern und das Gesundheitssystem zu entlasten. Auf der anderen Seite halbierte es den Genesenen-Status – mit der Begründung, Betroffene könnten sich bereits nach drei Monaten wieder schneller infizieren. Das aber trifft auf Geimpfte genauso zu. Die Bundesregierung will also ganz offensichtlich Genesene, völlig unabhängig von ihrer tatsächlichen Immunität, sehr schnell zu einer zusätzlichen Impfung drängen.
Regierung habe "wissenschaftliche Arbeit nicht gemacht"
Wie Voshaar in der ARD kritisierte, sei diese politische Vorgehensweise "ein Musterbeispiel dafür, dass man seine wissenschaftliche Arbeit nicht gemacht hat." Es gebe inzwischen "jede Menge Studien, die sagen, dass der Genesenen-Status mindestens so gut ist wie die zweifache Impfung."
Dem Arzt und Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, legte Voshaar in der ARD-Sendung nahe, das vorherrschende und in seinen Augen nicht zielführende repressive Vorgehen ad acta zu legen – sowohl gegen Geimpfte und Genesene als auch gegen nicht genesene Ungeimpfte.
Dahmen gehört zusammen mit sechs weiteren Abgeordneten zu einer Gruppe innerhalb der Regierungsfraktionen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die im Parlament einen Antrag zur allgemeinen Impfpflicht für alle Bundesbürger ab 18 Jahren einbringen will. Voshaar empfahl ihm:
"Sie sagen einfach: Zu dem Zeitpunkt, wo wir analysiert haben, waren noch nicht alle Studien da."
In der Tat könnte die Bundesregierung sogar auf eine weitere Studie zurückgreifen, an der ihre eigene Behörde für Impfstoffüberwachung – das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – beteiligt war. Dieses fand laut einer kürzlich veröffentlichten Publikation heraus, dass Genesene noch weit länger als ein Jahr stark neutralisierende Antikörper aufweisen oder bilden können. Sie schützten zwar, wie die Impfungen auch, nicht vor einer erneuten Infektion, aber doch vor einem schweren Verlauf.
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Information:
Sicherheit und Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe sind umstrittene Themen. Zahlreiche Experten in Wissenschaft, Politik und Medien schätzen diese als sicher und effektiv ein, da sie das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung weitgehend verhindern und die Vorteile einer Corona-Impfung die Risiken und Nebenwirkungen überwiegen. Langzeitnebenwirkungen der Impfungen sind generell nicht bekannt. Nebenwirkungen wie der ADE-Effekt (antibodydependent enhancement, auf Deutsch: infektionsverstärkende Antikörper) wurden bisher bei weltweit Milliarden verabreichter Impfstoff-Dosen nicht berichtet. Auch, dass Gensequenzen von beispielsweise mRNA-Vakzinen in die menschliche DNA eingebaut werden, gilt unter zahlreichen Experten als ausgeschlossen. Stellungnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der bundesdeutschen Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) lassen sich hier und hier nachlesen.